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Zur Genealogie der Moral
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muss. über wenig Dinge redet Schopenhauer so sicher wie über die Wirkung der ästhetischen Contemplation: er sagt ihr nach, dass sie gerade der geschlechtlichen »Interessirtheit« entgegenwirke, ähnlich also wie Lupulin und Kampher, er ist nie müde geworden, dieses Loskommen vom »Willen« als den grossen Vorzug und Nutzen des ästhetischen Zustandes zu verherrlichen. Ja man möchte versucht sein zu fragen, ob nicht seine Grundconception von »Willen und Vorstellung«, der Gedanke, dass es eine Erlösung vom »Willen« einzig durch die »Vorstellung« geben könne, aus einer Verallgemeinerung jener Sexual-Erfahrung ihren Ursprung genommen habe. (Bei allen Fragen in Betreff der Schopenhauer’schen Philosophie ist, anbei bemerkt, niemals ausser Acht zu lassen, dass sie die Conception eines sechsundzwanzigjährigen Jünglings ist; so dass sie nicht nur an dem Spezifischen Schopenhauer’s, sondern auch an dem Spezifischen jener Jahreszeit des Lebens Antheil hat.) Hören wir zum Beispiel eine der ausdrücklichsten Stellen unter den zahllosen, die er zu Ehren des ästhetischen Zustandes geschrieben hat (Welt als Wille und Vorstellung I 231), hören wir den Ton heraus, das Leiden, das Glück, die Dankbarkeit, mit der solche Worte gesprochen worden sind. »Das ist der schmerzenslose Zustand, den Epikuros als das höchste Gut und als den Zustand der Götter pries; wir sind, für jenen Augenblick, des schnöden Willensdranges entledigt, wir feiern den Sabbat der Zuchthausarbeit des Wollens, das Rad des Ixion steht still«… Welche Vehemenz der Worte! Welche Bilder der Qual und des langen Überdrusses! Welche fast pathologische Zeit-Gegenüberstellung »jenes Augenblicks« und des sonstigen »Rads des Ixions«, der »Zuchthausarbeit des Wollens«, des »schnöden Willensdrangs«! – Aber gesetzt, dass Schopenhauer hundert Mal für seine Person Recht hätte, was wäre damit für die Einsicht in’s Wesen des Schönen gethan? Schopenhauer hat Eine Wirkung des Schönen beschrieben, die willen-calmirende, – ist sie auch nur eine regelmässige? Stendhal, wie gesagt, eine nicht weniger sinnliche, aber glücklicher gerathene Natur als Schopenhauer, hebt eine andre Wirkung des Schönen hervor: »das Schöne versprichtGlück«, ihm scheint gerade die Erregung des Willens (»des Interesses«) durch das Schöne der Thatbestand. Und könnte man nicht zuletzt Schopenhauern selber einwenden, dass er sehr mit Unrecht sich hierin Kantianer dünke, dass er ganz und gar nicht die Kantische Definition des Schönen Kantisch verstanden habe, – dass auch ihm das Schöne aus einem »Interesse« gefalle, sogar aus dem allerstärksten, allerpersönlichsten Interesse: dem des Torturirten, der von seiner Tortur loskommt?… Und, um auf unsre erste Frage zurückzukommen »was bedeutet es, wenn ein Philosoph dem asketischen Ideale huldigt?«, so bekommen wir hier wenigstens einen ersten Wink: er will von einer Tortur loskommen. –
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Zur Genealogie der Moral
Titel
Zur Genealogie der Moral
Autor
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Datum
1887
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.0 cm
Seiten
148
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
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