Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geisteswissenschaften
Zur Genealogie der Moral
Seite - 122 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 122 - in Zur Genealogie der Moral

Bild der Seite - 122 -

Bild der Seite - 122 - in Zur Genealogie der Moral

Text der Seite - 122 -

so schwärmerisch-falsch wie möglich gewesen, dies versteht sich von selbst: nur überhöre man den Ton überzeugtester Dankbarkeit nicht, der eben schon im Willen zu einer solchen Interpretations-Art zum Erklingen kommt. Der höchste Zustand, die Erlösung selbst, jene endlich erreichte Gesammt- Hypnotisirung und Stille, gilt ihnen immer als das Geheimniss an sich, zu dessen Ausdruck auch die höchsten Symbole nicht ausreichen, als Ein- und Heimkehr in den Grund der Dinge, als Freiwerden von allem Wahne, als »Wissen«, als »Wahrheit«, als »Sein«, als Loskommen von jedem Ziele, jedem Wunsche, jedem Thun, als ein Jenseits auch von Gut und Böse. »Gutes und Böses, sagt der Buddhist, – Beides sind Fesseln: über Beides wurde der Vollendete Herr«; »Gethanes und Ungethanes, sagt der Gläubige des Vedânta, schafft ihm keinen Schmerz; das Gute und das Böse schüttelt er als ein Weiser von sich; sein Reich leidet durch keine That mehr; über Gutes und Böses, über Beides gieng er hinaus«: – eine gesammt-indische Auffassung also, ebenso brahmanistisch als buddhistisch. (Weder in der indischen, noch in der christlichen Denkweise gilt jene »Erlösung« als erreichbar durch Tugend, durch moralische Besserung, so hoch der Hypnotisirungs-Werth der Tugend auch von ihnen angesetzt wird: dies halte man fest, – es entspricht dies übrigens einfach dem Thatbestande. Hierin wahrgeblieben zu sein, darf vielleicht als das beste Stück Realismus in den drei grössten, sonst so gründlich vermoralisirten Religionen betrachtet werden. »Für den Wissenden giebt es keine Pflicht«… »Durch Zulegung von Tugenden kommt Erlösung nicht zu Stande: denn sie besteht im Einssein mit dem keiner Zulegung von Vollkommenheit fähigen Brahman; und ebenso wenig in der Ablegung von Fehlern: denn das Brahman, mit dem Eins zu sein Das ist, was Erlösung ausmacht, ist ewig rein« – diese Stellen aus dem Commentare des Çankara, citirt von dem ersten wirklichen Kenner der indischen Philosophie in Europa, meinem Freunde Paul Deussen.) Die »Erlösung« in den grossen Religionen wollen wir also in Ehren halten; dagegen wird es uns ein wenig schwer, bei der Schätzung, welche schon der tiefe Schlaf durch diese selbst für das Träumen zu müd gewordnen Lebensmüden erfährt, ernsthaft zu bleiben, – der tiefe Schlaf nämlich bereits als Eingehen in das Brahman, als erreichte unio mystica mit Gott. »Wenn er dann eingeschlafen ist ganz und gar – heisst es darüber in der ältesten ehrwürdigsten »Schrift« – und völlig zur Ruhe gekommen, dass er kein Traumbild mehr schaut, alsdann ist er, oh Theurer, vereinigt mit dem Seienden, in sich selbst ist er eingegangen, – von dem erkenntnissartigen Selbste umschlungen hat er kein Bewusstsein mehr von dem, was aussen oder innen ist. Diese Brücke überschreiten nicht Tag und Nacht, nicht das Alter, nicht der Tod, nicht das Leiden, nicht gutes Werk, noch böses Werk.« »Im tiefen Schlafe, sagen insgleichen die Gläubigen dieser tiefsten der drei grossen Religionen, hebt sich die Seele heraus aus diesem Leibe, geht ein in das höchste Licht und tritt dadurch hervor in eigener
zurück zum  Buch Zur Genealogie der Moral"
Zur Genealogie der Moral
Titel
Zur Genealogie der Moral
Autor
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Datum
1887
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.0 cm
Seiten
148
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorrede 2
  2. Erste Abhandlung: »Gut und Böse«, »Gut und Schlecht« 10
  3. Zweite Abhandlung: »Schuld«, »schlechtes Gewissen« und Verwandtes 40
  4. Dritte Abhandlung: was bedeuten asketische Ideale? 84
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Zur Genealogie der Moral