Seite - 130 - in Zur Genealogie der Moral
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war. Dieser alte grosse Zauberer im Kampf mit der Unlust, der asketische
Priester – er hatte ersichtlich gesiegt, sein Reich war gekommen: schon klagte
man nicht mehr gegen den Schmerz, man lechzte nach dem Schmerz;
»mehr Schmerz! mehr Schmerz!« so schrie das Verlangen seiner Jünger und
Eingeweihten Jahrhunderte lang. Jede Ausschweifung des Gefühls, die wehe
that, Alles was zerbrach, umwarf, zermalmte, entrückte, verzückte, das
Geheimniss der Folterstätten, die Erfindsamkeit der Hölle selbst – Alles war
nunmehr entdeckt, errathen, ausgenützt, Alles stand dem Zauberer zu
Diensten, Alles diente fürderhin dem Siege seines Ideals, des asketischen
Ideals… »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« – redete er nach wie vor:
hatte er wirklich das Recht noch, so zu reden?… Goethe hat behauptet, es
gäbe nur sechs und dreissig tragische Situationen: man erräth daraus, wenn
man’s sonst nicht wüsste, dass Goethe kein asketischer Priester war. Der –
kennt mehr…
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Zur Genealogie der Moral
- Titel
- Zur Genealogie der Moral
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 148
- Kategorie
- Geisteswissenschaften