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stoischer Ataraxie darin, diese mühsam errungeneSelbstverachtung des
Menschen als dessen letzten, ernstesten Anspruch auf Achtung bei sich selbst
aufrecht zu erhalten (mit Recht, in der That: denn der Verachtende ist immer
noch Einer, der »das Achten nicht verlernt hat«… ) Wird damit dem
asketischen Ideale eigentlich entgegengearbeitet? Meint man wirklich alles
Ernstes noch (wie es die Theologen eine Zeit lang sich einbildeten), dass etwa
Kant’s Sieg über die theologische Begriffs-Dogmatik (»Gott«, »Seele«,
»Freiheit«, »Unsterblichkeit«) jenem Ideale Abbruch gethan habe? – wobei es
uns einstweilen Nichts angehen soll, ob Kant selber etwas Derartiges
überhaupt auch nur in Absicht gehabt hat. Gewiss ist, dass alle Art
Transcendentalisten seit Kant wieder gewonnenes Spiel haben, – sie sind von
den Theologen emancipirt: welches Glück! – er hat ihnen jenen Schleichweg
verrathen, auf dem sie nunmehr auf eigne Faust und mit dem besten
wissenschaftlichen Anstande den »Wünschen ihres Herzens« nachgehen
dürfen. Insgleichen: wer dürfte es nunmehr den Agnostikern verargen, wenn
sie, als die Verehrer des Unbekannten und Geheimnissvollen an sich, das
Fragezeichen selbst jetzt als Gott anbeten? (Xaver Doudan spricht einmal von
den ravages, welche »l’habitude d’ admirer l’inintelligible au lieu de rester
tout simplement dans l’inconnu« angerichtet habe; er meint, die Alten hätten
dessen entrathen.) Gesetzt, dass Alles, was der Mensch »erkennt«, seinen
Wünschen nicht genug thut, ihnen vielmehr widerspricht und Schauder
macht, welche göttliche Ausflucht, die Schuld davon nicht im »Wünschen«,
sondern im »Erkennen« suchen zu dürfen!… »Es giebt kein
Erkennen: folglich – giebt es einen Gott«: welche neue elegantia syllogismi!
welcher Triumph des asketischen Ideals! –
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Zur Genealogie der Moral
- Titel
- Zur Genealogie der Moral
- Autor
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Datum
- 1887
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.0 cm
- Seiten
- 148
- Kategorie
- Geisteswissenschaften