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.'32 V. Die Staatsformen.
Die Einteilung der Monaxchien in Wahlmonarchien und E r b-
m n a r c h i e n ist für die Gegenwart belanglos, weil allenthalben das Bedürfnis
nach der Stetigkeit zur Erbmonarchie geführt hat. Hier wird der Herrscher einer
l)estimmten Familie, der Dynastie, entnommen und nach einer verfassungs-
mäßigen Ordnung in den Formen des Erbrechtes^) auf den Thron berufen. Die
geschichtliche Entwicklung der Monarchie bringt es mit sich, daß die Herrschaft
zugleich als das eigene Recht des Monarchen aufgefaßt wird. Vom Standpunkte
des einheitlichen Staatsverbandes aus betrachtet, ist der Monarch das oberste und
unabhängige Staatsorgan^), vom Standpunkte des geschichtlich entstandenen
Monarchenrechtes aus erscheint der Staat als das Objekt der Herrschergewalt des
Monarchen. DieGeschichte lehrt, wie wichtig es für dieFestigkeitundBeständigkeit
der staatHchen Ordnung ist, daß in der Dynastie ein Personenkreis gegeben sei,
der, über alle Personen und Parteiungen im Staate erhaben, kein anderes als das
Staatsinteresse vor Augen hat und dessen Tradition von Generation zu Generation
sichert.
Je nachdem der Wille der Monarchen in allen staatüchen Belangen als der
rechtlich allein maßgebende gilt, oder bei ge\\issen Geschäften an die Zustimmung
anderer Staatsorganegebunden ist, wird zwischen unbeschränkter (abso-
luter)und beschränkter Monarchieunterschieden. Die beidenHauptformen der
"beschränkten Monarchie sind dieständische und die konstitutionelle
Monarchie.
In der ständischen Monarchie üben die Stände gewisse staatliche
Befugnisse kraft eigenen Rechtes aus, wodurch die Machtvollkommenheit des
Fürsten eingeengt wird. Nur allmählich gewinnt derGedankeRaum, daß dieStände
dem Monarchen gegenüber nicht ihr eigenes Recht und Interesse, sondern das
des Volkes vertreten. Der Gegensatz zwischen den auf die Ausbildung ihrer Macht-
fülle bedachten Fürsten und den dagegen sich stemmenden Ständen wird als
Gegensatz zwischen Staatsgewalt und Volksrechten empfunden. Die ständischen
Vertretungskörper gelten zugleich als Volksvertretungen, die Verfassungen als
Vergleiche, die die Fürsten mit den Ständen im Kampfe um die Vormacht abge-
schlossen haben^).
Klärt sich der Vertretungsgedanke dahin ab, daß die Stände nichtmehr als be-
sondere Körperschaftendem Fürsten gegenüberstehen, sondern zu ihm hinzutreten
alsStaatsorgane, diezurTeilnahmeanderGesetzgebungundKontroUederVerwaltung
berufen sind, so bildet sich die ständische Monarchie zurkonstitutionellen
Monarchieum. Alleinnur indenwenigsten Staaten hat sich dieserUmbildungs-
prozeß in so ununterbrochener Linie vollzogen wie in England*). Zumeist gelang es
^) Es ist ein Nachklang patrimonialer Staatsauffassung, wenn die staatsrechtliche Thron-
folgemit privatrechtlichem Erbgang verwechselt wird. — *) Staatsorgan im Sinne von Willens-
träger des Staates, d. h. diejenige physische Person, deren Wille als Staatswille gilt; vergl. oben
S. 18. — ^) Diese Auffassung wird von zahlreichen politischen Schriftstellern jener Zeit ver-
treten, welche die Gewalt des Fürsten durch Übertragung seitens des Volkes erklären und
gegen die absolute Fürstcngewalt sich wenden. Vergl. Anm. 4 auf S. 29. Sie sind die Begründer
der Lehre von der Volkssouveränetät. — *) Auch in Ungarn ist die ständische Ordnung bis 1848
in Kraft geblieben. Aber der Übergang zur modernen Parlamentsverfassung hat sich, wie das
X. Kapitel, Seite 56, zeigt, nicht ohne Unterbrechung und schwere Krisen vollzogen.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918