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XX. Behördenorganisation und öffentlicher Dienst. 105
Willen der Untertanen verwirklicht ; der Erfolg der Gesetze hängt oft nicht minder
wie von ihrem Inhalte von der Art und Weise ab, wie sie gehandhabt werden.
Es ist daher von größter Wichtigkeit, daß die Fülle der hieraus sich ergebenden
Geschäfte in sachlicher und räumlicher Hinsicht richtig auf die geeigneten Organe
verteiltwerde. Da derAufgabenkreis und die Gewalt dieserOrgane in monarchischen
Staaten durch Übertragung seitens des Monarchen, in den Staaten, wo die Lehre
von der Volkssouveränetätdas politische Bewußtsein beherrscht, durch Übertragung
seitens des Volkes begründet wird, werden sie im Gegensatze zum Monarchen und
zur Volksvertretung, deren Stellung unmittelbar auf der Verfassung beruht, als
mittelbare Staatsorgane bezeichnet. Der Kreis öffentlicher Geschäfte, der
diesenOrganen zugewiesen ist,\wd einAm t genannt. Ämter, denen obrigkeitliche
Gewalt wesentlich ist, werden als B e h ö r d e n, alle anderen Ämter als A n s t a 1-
t e n bezeichnet. Die Personen, die jene Geschäfte zu besorgen haben, sind die
Beamten; ihre Stellung und ihr Dienstreeht werden unter 4. kurz besprochen
werden.
Im modernen Rechtsstaate gilt die Trennung der Rechtspflege
von der V e rw a 1 1 u n g als der oberste Grundsatz der Behördenorganisation^).
Sie bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Unabhängigkeit der Rechts-
pflege und ist in Österreich durch dieVerfassung anbefohlen. Wegen desZusammen-
hanges mit der Rechtspflege wird die Organisation der Zivil- und Strafgerichte
im XXXIII. Kapitel, das der richterlichen Gewalt gewidmet ist, der Rechtsschutz
im öffentlichen Recht im XXXVI. Kapitel erörtert werden. Hier können wir
unsauf dieOrganisation derVerwaltungsbehörden beschränken.
Sie ist eine zweifache, je nachdem der Staat selbst die Durchführung der Ver-
waltungsaufgaben übernommen oder andere Gemeinwesen (Korporationen) damit
betrauthat, die er zu diesemZwecke mitjuristischer Persönlichkeit und der erforder-
lichen obrigkeitlichen Gewalt ausstattet. Hieraus ergibt sich der Unterschied
zwischen Staatsverwaltung und Selbstverwaltung. Die Staats-
verwaltung istzentral organisiertundnachtechnischen Gesichtspunktenarbeitsteilig
gegliedert; üire Unterbehörden sind den MittelsteUen, diese den Zentralbehörden
untergeordnet ; der Dienstwd ganz über\viegendvon Berufsbeamten versehen. Die
Selbstverwaltung ist dezentralisiert und den zu Kommunalverbänden oder Berufs-
genossenschaften zusammengefaßten Staatsbürgern in der Form des Ehrenamtes
unter staatlicher Oberaufsicht anvertraut.
Im Gegensatze zu der früheren Gliederung der oberstenstaathchenVerwaltungs-
behörde nach Provinzen (Provinzialsystem), wird die auf der Ai't der zu erledigenden
Geschäfte beruhende Verwaltungsorganisation als R e a 1 s y s t em und, da an der
Spitze der so gebildeten „Ressorts" Mnister stehen, alsMinisterialsystem
bezeichnet. Die Verantwortlichkeit der Minister bedingt es, daß der Wille des
Ministers in seinem Ressort der maßgebende sei. Daraus folgt, daß die Beamten
die Geschäfte in Unterordnung unter die Minister und dienstlich ihrem
Vorgesetzten gegenüber verantwortlich zu besorgen haben. Unter den IVIinisterien
stehen die Behörden, denen die örtlichen Verwaltungsaufgaben übertragen
sind. Die Gliederung der Behörden nach Instanzen bewirkt, daß die Unter-
behörden der Dienstgewalt der Oberbehörden unterworfen sind und die Ober-
») Vergl. S. 31 und 144 ff.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918