Seite - 110 - in Österreichische Bürgerkunde
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110 XX. Behördenorganisation und öffentlicher Dienst.
Die Gemeinde hat einen zweifachenWirkungskreis, einen s e 1 b s t ä n-
digenundeinenü bertragenen. Inihrem selbständigenWirkungs-
kreise kann die Gemeinde nach freier Selbstbestimmung alles anordnen und
verfügen, was das Interesse der Gemeinde zunächst berührt und innerhalb ihrer
Grenzen durch üire eigenen Kräfte besorgt und durchgeführt werden kann. Dieser
Wirkungskreis ist inhaltlich unbeschränkt. Nicht nur die im Gemeindegesetz
selbst aufgezählten Aufgaben (die Vermögensverwaltung, die verschiedenen Zweige
der örtlichen Sicherheitspolizei, wie Verkehrs-, Gesundheits-, Bau-, Feuerpohzei,
dann Schul-, Armenwesen usw.) gehören hieher, sondern auch zahlreiche andere
Obliegenheiten, die den Gemeinden durch spätere Verwaltungsgesetze zugewiesen
worden sind. Auch darüber hinaus kann die Gemeinde frei die Ziele ihrer Wirk-
samkeit bestimmen und die Mittel hiezu wählen, soweit es ihre wirtschaftlichen
Kräfte nur erlauben. Diese Freilieit gestattet eine reiche und vielseitige Entfaltung
der Gi^meindetätigkeit ; freilich ist keine genügende Gewähr dafür gegeben, daß
auch nur das Notwendige geschehe, obwohl die Gemeinde für die Unterlassung
gewisser Obhegenheiten haftbar gemacht werdenkann. AUeshängtvonderTüchtig-
keit der Gemeindeverwaltung, zuletzt also von der Eignung der Personen ab,
die durch das Vertrauen ilirer Mitbürger zu den Geschäften berufen werden. Der
übertragene Wirkungskreis der Gemeinde besteht in Aufgaben der
staatlichen Verwaltung, die aus Zweckmäßigkeitsgründen den Gemeinden zur
Besorgung zugewiesen worden sind, wie z. B. die Anfertigung der Wählerlisten
für die Reichsrats- und Landtagswahlen, Mitwirkung beim Heeresergänzungs-
geschäfte, Steuereinhebung usw. In den Städten mit eigenem Statut umfaßt er
auch die Geschäfte der politischen Verwaltung, die sonst von den Bezirkshaupt-
mannschaften besorgt werden. In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungs-
kreises untersteht die Gemeinde der vorgesetzten staatlichen Behörde. In ihrer
selbständigenTätigkeit, besonders in der Finanzgebarung, wird sie von den höheren
Kommunalverbänden, von Bezirk und Land, beaufsichtigt; die Staatsverwaltung
achtet hier nur darauf, daß der gesetzliche Wii'kungskreis eingehalten werde.
Sistierung gesetzwidriger Beschlüsse, ersatzweise Durchführung pflichtwidrig unter-
lassener Maßnahmen und Auflösung der Gemeindevertretung sind die wichtigsten
Mittel, die sie hiezu anwenden kann.
Der durch die Gemeindeverwaltung bedingte Aufwand wird zunächst aus
dem Erträgnisse des Gemeindevermögens und, soweit dieses nicht ausreicht, durch
Gemeindesteuern gedeckt, die hauptsächlich in derFormvonZuschlägenzu
den Staatssteuern auferlegt werden. Innerhalb engererGrenzen kann derGemeinde-
ausschuß solche Zuschläge selbständig beschließen. Höhere Zuschläge bedürfen
der Genehmigung der übergeordneten Kommunalverbände, über eine gewisse Grenze
hinaus auch des Staates. Unter gewissenVorsichten können auchGemeindedarlehen
aufgenommen werden.
Die Gemeindebehörden beruhen auf dem Repräsentativgedanken.
Die Geschäfte der Gemeinde werden ehrenamtlich durch die Gemeindever-
tretung besorgt, die im wesentüchen aus Wahlen hervorgeht^). So werden die
Fähigkeiten der Gemeindemitglieder in den Dienst der Gemeinde gestellt; durch
*) In einigen Ländern sind die größten Steuerträger der Gemeinde kraft ihrer Steuerleistung
zum Eintritte in den Gemeindeausschuß berechtigt.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918