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XXV. Die persönliche Freiheit. 125
müssen, wenn die Voraussetzungen des Gesetzes zutreffen. Unterschiedslos sind
jedem Staatsbürger die durch das Gesetz vorgesehenen Rechte gewährt, die durch
das Gesetz vorgeschriebenen Pflichten auferlegt. Und auch die künftige Gesetz-
gebung ist gehalten, die Staatsbürger grundsätzlich gleich zu behandeln; Aus-
nahmen, z. B. hinsichtlich derWehr- oder Steuerpflicht, zugunsten oder zulasten
bestimmter Klassen oder Personen sind darnach ausgeschlossen.
Aus dem Grundsatzeder GleichheitvordemGesetze ziehtdas Staatsgrundgesetz
über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger sofort eine Reihe von Folgerungen
in der Form weiterer Freiheitsrechte: Die öffentlichen Ämter werden als allen
Staatsbürgern gleich zugänglich, jeder Untertänigkeits- und Hörigkeitsverband
wird aJsfürimmer aufgehoben erklärt.^)Daferner jeder StaatsbürgerLiegenschaften
jeder Art erwerben und jeden Erwerbszweig unter den gesetzlichen Bedingungen
ausüben kann, sind die ständischen Beschränkungen in Bezug auf den Erwerb
von Liegenschaften und die Hindernisse für die Berufswahl und Berufsausbildung
beseitigt, die früher für bestimmte Personenkreise bestanden.
Die Verfassung läßt eine zeitweilige und örtliche Suspension
der Freiheitsrechte zu. Näher geregelt wird sie durch das Gesetz vom
5. Mai 1869. Voraussetzungen sind der Ausbruch eines Kiieges, innere Um'uhen,
ausgedehnte hochverräterische, die Verfassung oder die Freiheit der Person ge-
fährdende Umtriebe. In diesen Fällen können die weiter unten zu besprechenden
Bestimmungen zum Schutze der persönlichen Freiheit, des Hausrechtes und des
Briefgeheimnisses, ferner die Vereins- und Versammlungsfreiheit, die Freiheit
der Meinungsäußerung und die Preßfreiheit entweder für das ganze Staatsgebiet
oder die bedi'ohten Gebietsabschnitte gänzlich oder teilweise außer Kraft gesetzt
und außerdem gewisse polizeiliche Beschränkungen angeordnet werden. Zur Ver-
hängung eines derartigen Au s n ahm s z u s t an d e s^) ist ein Beschluß des
Gesamtministeriums und die Genehmigung des Kaisers erforderlich. Die Aus-
nahmsverordnung ist als solche durch die Berufung auf diejenigen Bestimmungen
des eben genannten Gesetzes zu kennzeichnen, welche die Wirkung der Suspension
regeln. Sie unterliegt der Kontrolle des Reichsrats und ist aufzuheben, sobald
ihre Ursachen weggefallen sind.
XXV. Die persönliche Freiheit.
Die Bestimmungen zum Schutze der persönlichen Freiheit bezwecken, ge-
wisse Eingriffe in den persönlichen Lebenskreis zu verhindern, die in der Zeit
des Polizeistaates als besonders drückend waren empfunden worden, so insbe-
sondere willkürHche Verhaftung, Konfinierung und Verschickung, willkürliche
Hausdurchsuchungen und Beschlagnahme oder Eröffnung von Briefen usw.
Schon 1862 waren nach enghschem Vorbild (die Habeas corpus-Akte von 1679,
der Grundsatzmy house ismy Castle : mein Haus meine Burg) Gesetzezum Schutze
der persönlichen Freiheit und des Hausrechtes erlassen worden. DieVerfassung von
1867 gewährleistet die Freiheit der Person und die Unverletzlichkeit des Haus-
techtes, indem sie jene Gesetze von 1862 als Bestandteile des Staatsgrundgesetzes
^) Vergl. unten S. 189. — *) Hievon verschieden ist die Verhängung des Stand-
recht es. Vergl. das XXXV. Kapitel, S. 156.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918