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XL. Stand, Sicherheit und Gesundheit der Bevölkerung. 175
bewegung der öffentlichen Verwaltung wichtige Aufgaben. Durch die zu-
nehmende Industrialisierung unserer Volkswirtschaft ist die i n n e r eWan d e r-
bewegung gewaltig verstärkt worden. Sie hat fast die ganze Volkszunahme
der letzten Jahrzehnte von der Landwirtschaft weg der Industrie und den städti-
schenBerufenzugeführtundsie damitauchausdem flachenLande in die Städte und
Industrieorte versetzt. Hier hat sie örtliche Übervölkerung, zeitweilig wohl auch
Arbeitslosigkeit, fast überall Wohnungsnot und andere Gefährdungen der Gesund-
heit, Sittlichkeit und Arbeitskraft, auf dem flachen Lande aber Arbeitermangel
mit sich gebracht. Diesen Übeln durch Verwaltungsmaßnahmen zu begegnen
gehört mit zu den wichtigsten Aufgaben einerseits der Agrarpolitik^), andererseits
der städtischen Verwaltungskunst^).
Die Auswanderung in andere europäische Staaten und in überseeische
Länder entzieht der österreichisch-ungarischen Monarchie zahlreiche wertvolle
Arbeitskräfte^). Sie wii'd veranlaßt durch die— oft trügerische— Hoffnung, im
Auslande bessere Arbeits-und Lebensbedingungen zu finden wie imVaterlande und
daheram erfolgreichsten bekämpft durch die Besserung der inländischen Erwerbs-
verhältnisse. Hierauf hat der Staat keinen direktenEinfluß : dasProblemmündet in
die allgemeine Sozial- und Wii'tschaftspolitik. Vor leichtfertiger Auswanderung
wird gewarnt durch die Veröffentlichung der Konsularberichte über die Lage des
Arbeitsmarktes und die wii-tschaftlichen Aussichten in den Einwanderungsländern.
Der Betrieb von Auswanderungsgeschäften und die Verleitung zur Auswanderung
unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder anderer auf Täuschung berechneter
Mittel wird als Vergehen bestraft. Im Auslande stehen die Auswanderer, solange
sie die heimatliche Staatsbürgerschaft nicht verloren haben, unter dem Schutz
der österreichisch-ungarischen Konsulate. Es gehört mit zu den wichtigsten aber
auch schwierigsten Aufgaben der Auswanderungspolitik, die Auswanderer in Ver-
bindung mit dem Heimatlande zu erhalten, ihre Niederlassungen zu organisieren
und sie so in den Dienst der auswärtigen Handelsinteressen zu stellen.
2. Die Sicherheitspolizei.
In den Verwaltungsmaßnahmen, die den Schutz der einzelnen Personen,
des Eigentums und der öffentlichen Ordnung vor Störungen bezwecken, tritt die
obrigkeitliche Zwangsgewalt so sehr hervor, daß man den Inbegriff dieser Maß-
nahmen alsSicherheitspolizei zu bezeichnen pflegt*). VondiesenMaßnahmen
stehen einige inVerbindung mitder ebenbesprochenenWanderbewegung : durch das
Meldewesen wird dafür gesorgt, daß jeder zu amtlichen oder privatenZwecken
aufgefunden werden könne; Legitimationspapiere verschiedener Art bescheinigen
die Identität der Person ; füi' Reisen in manche auswärtigen Staaten sindPässe
erforderlich.
^)Vergl. dasXLIII. Kapitel.— ^)Vergl.insbesondereüberdieWohnungsfrage S. 178. — ')Wie
beträchtlich die Auswanderung aus der Österreichisch-ungarischen Monarchie ist, zeigen die fol-
genden Zahlen. Über sämtliche europäische Häfen sind 1909 258.390 Österreicher und Ungarn,
in den sechs Jahren 1904—1909 nahezu 1'5 Millionen Personen ausgewandert. Die überwiegende
Mehrzahl hat sich nach den Vereinigten Staaten von Amerika gewendet. Auch die Auswanderung
in europäische Staaten ist beträchtlich. Bei der Volkszählungim Jahre 1905 wirden im Deutschen
Reiche 493.872 österreichische und 31.949 ungarische Staatsangehörige ermittelt. — *) Über
den Begriff der Polizei vergl. oben S. 160 f.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918