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XLI. Du Unterrichtsverwaltung. 179
Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts ist sich der Staat seiner Aufgaben
auf dem Gebiete des Unterrichtswesens bewußt geworden; bis dahin lag es in der
Hand der Kirche. Der Ausspruch der Kaiserin Maria Theresia: „Die Schule ist
ein Politikum" (d. h. Aufgabe staatlicher Kegelung und Fürsorge) wurde durch
die 1774 erlassene „allgemeine Schulordnung" verwü'klicht^). Die weitere Ent-
wickelung des österreichischen Schulwesens, insbesondere der Volksschule, hängt
mit der geistigen Grundstimmung- der Regierungssysteme zusammen und hat
den Wechsel derselben mitgemacht. Welche Grundsätze hierüber das Staats-
grundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger aufstellt und in welcher
Weise darnach das grundsätzliche Verhältnis der Schule zur Kirche geregelt worden
ist, ist bereits im XXVIII. Kapitel erwähnt worden^).
Das gesamte Schulwesen zerfällt in zwei große Gruppen, je nachdem es sich
um das Mindestmaß von Erziehung und Wissen handelt, das schon im öffentlichen
Interesse für jedes Kind gefordert werden muß, oder um eine darüber hinaus-
gehende Ausbildung, besonders für gewisse Berufszweige. Jenes ist die Aufgabe
der Volksschule, dieses der Mittel-, Hoch- und Fachschulen.
Die Volksschule hängt am engsten mit dem Kulturleben des gesamten
Volkes zusammen und greift durch den Schulzwang am tiefsten ein. Wegen der
Massenhaftigkeit ihrer Schüler und wegen ilires engmaschigen Schulnetzes er-
fordert sie die umfassendste Organisation und den größten Aufwand. Das alles
bedingt eine eingehende gesetzliche Regelung. Die Grundlage hiefür bildet das
Reichsvolksschulgesetz vom 14. Mai 1869^); der Schulbetrieb wird durch Schul-
und Unterrichtsordnung (1905) geordnet. Die näheren Bestimmungen über die
Schulaufsicht, die Schulerrichtung, Schulerhaltung und den Schulbesuch, sowie
über die Rechtsverhältnisse der Lehrer sind durch die Landesgesetzgebung ge-
troffen worden.
Aufgabe der Volksschule ist: „die Kinder sittlich-religiös zu erziehen, deren
Geistestätigkeit zu entwickeln, sie mit den zur weiteren Ausbildung für das Leben
erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten auszustatten und die Grundlage
für Heranbildung tüchtiger Menschen und Mitglieder des Gemeinwesens zu
schaffen". Um dieses Ziel zu erreichen, ist in der Regel achtjähriger Schulbesuch,
vom vollendeten 6.—14. Lebensjahr, vorgeschrieben; für die letzten beiden Jahre
sind „Schulbesuchserleichterungen" zugelassen. Der Schulzwang wendet sich
gegen die Eltern und deren Stellvertreter. Das Lehrziel kann auch durch Privat-
unterricht erreicht werden, der im übrigen frei ist^).
öffentlicheSchulen sind jene, zu derenGründung oderErhaltung der
Staat, das Land oder die Ortsgemeinde die Kosten ganz oder teilweise beiträgt ; als
Pflichtschulenmüssen siebesucht werden, wenn für denUnterrichtnichtanderweitig
gesorgt ist. Ihre Einrichtung, der Lehrgang, die Vorbildung und Rechtsstellung
des Lehrpersonals, die Voraussetzungen für die Errichtung und die Aufbringung
^) Vergl. Josef H e 1 f e r t, Die österreichische Volksschule, Prag 1861. Strakosch-
G raßma n n,Geschichte des österreichischen Unterrichtswesens.Wien 1905.— ') Vergl. oben S. 133.
— ') Einige nicht unwesentliche Abänderungen, die insbesondere den Wünschen der Land-
bevölkerung Rechnung -tragen (Schulbesuchserleichterungen), sind im Jahre 1883 vorgenommen
worden.— *) Über die Anzahl der schulpflichtigen Kinder, den Schulbesuch, dessen Zahlenver-
hältnis zu den Lehrkräften und die Anzahl der Analphabeten in den einzelnen Ländern erteilt
die untere Hälfte der Tabelle 15 des Anhangs Auskunft.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918