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XLI. Die Unterrichtsverwaltung. 181
gegebene Unterschied zwischen den Universitäten und den technischen Hoch-
schulen liegt nicht nur in ihrer Organisation und in den Lehrgegenständen, sondern
vor allem in der Richtung und im Geiste ihres Studienbetriebes : a.n der Universität
vorausum der wissenschaftlichen Erkenntnis und Ausbildung^), an den technischen
Hochschulen um der theoretischen Vorbereitung zu den technischen Berufen
willen^).
Die Fachschulen haben die Aufgabe, unmittelbar zu technisch-wirt-
schaftlicher Erwerbstätigkeit vorzubereiten. Unter ihnen nehmen die staatlichen
Gewerbeschulen eine hervorragende Stellung ein. Als höhere Gewerbeschulen
(technische Mittelschulen) sind sie auf vierjährigen, als Werkmeisterschulen auf
zweijährigen Unterricht berechnet; außerdem bestehen zahlreiche staatliche Fach-
schulen für einzelne gewerbliche Zweige, deren Einrichtung sich ihren besonderen
Bedürfnissen anpaßt, und mannigfache andere Einrichtungen zur Förderung
der gewerblichen Ausbildung. Soweit dadurch für das besondere Bildungsbedürfnis
einzelner Fachkreise nichtvorgesorgt ist, bleibt dessen Befriedigung den beteiligten
Interessenorganisationen überlassen; auch wird es durch zahlreiche Privatlehr-
anstalten wahrgenommen.
Zum Schluß noch eine Bemerkung über die Auswahl der Bildungswege. Die
grundgesetzlich gewährleistete Lehr- und Lernfreiheit^) bringt es mit sich, daß
jedermann lehren und lernen kann, was er will, wenn nur jenes Mindestmaß von
Wissen und Bildung erreicht wkd, das der Schulzwang sicherstellt. Aber durch
die Lehrpläne und das Prüfungswesen der öffentlichen Schulen, durch die
Anforderungen des Berufslebens, insbesondere des Staates und der Selbstverwal-
tungskörper hinsichtlich der Vorbildung ihrer Beamten und für gewisse gelehrte
Berufe ist eine Gewähr für eine ausreichende und innerhalb jedes Faches ziemlich
gleichmäßige Ausbildung des Nachwuchses gegeben. Andere Fragen sind freilich
die, ob jene Ausbildung den Anforderungen der einzelnen Berufe und des Lebens
vollkommen entspricht, und ob die Zahl derjenigen, die für die einzelnen Berufe
vorgebildet werden, im richtigen Verhältnisse zur Aufnahmsfähigkeit dieser Berufe
steht. Die erste Frage wird eine sorgsame Unterrichtspolitik immer wieder
aufs neue erwägen; vor die zweite sieht sich jeder gestellt, der den Bildungsweg
im Hinblick auf seinen zukünftigen Beruf zu wählen hat. Die in weiten Kreisen
bestehende Überschätzung der sogenannten gelehrten Berufe und der Wunsch,
durch einefeste Anstellung „versorgt" zu sein, bringen es mit sich, daß die Mittel-
und Hochschulen den Berufen, zu welchen sie vorbilden, erheblich mehr Jünglinge
zuführen, als in diesen Berufen unterkommen können. Da ist es nicht überflüssig,
daran zu erinnern, um wie viel weitere und mannigfachere Möglichkeiten sich dem
Tüchtigen im wirtschaftlichen Leben eröffnen. Dem Einzelnen wie der Gesamtheit
ist besser gedient, wenn diese Möglichkeiten mit frischem Mute und ohne veraltete
Vorurteile ergriffen, die gelehrten Berufe aber jenen überlassen werden, die sich
ihnen aus innerem Drange zuwenden wollen.
1) Vergl. Fr. P a u 1 s e n, Die deutschen Universitäten und das Universitätsstudium,
Berlin 1902, und Th. Ziegler, Der deutsche Student am Ende des 19. Jahrhunderts. 10. Aufl.,
Leipzig 1908.— ^) Eine statistische Übersicht über die Zahl, die Lehrkräfte und den Besuch der
verschiedenen Unterrichtsanstalten in Österreich enthält die obere Hälfte der Tabelle 15 des
Anhangs.— ^i Vergl. oben S. laS,
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918