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212 XLVI. Die soziale Fürsorge.
Armen womöglich wieder erwerbfähig zu machen. Der Erfolg hängt ganz von der
Eignung der ehrenamtlich bestellten Pfleger ab.
3. Die Sozialversicherung.
Das Wesen aller Versicherung besteht darin, daß die Gesamtheit der von
einer Gefahr Bedrohten für den Schaden aufkommt, den die von ihr tatsächlich
Betroffenen erleiden. Die hiefür erforderlichen Beträge werden durch Beiträge
der Versicherten (Prämien) aufgebracht. Nach der Art der Gefahren werden Sach-
schaden- und Vermögensversicherung (Feuer-, Transport-, Hagel-, Vieh-, Ein-
bruchs-, Hypotheken- und Rückversicherung), Lebensversicherung (auf den Todes-
fall oder Erlebensfall, zu eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter, insbesondere
der Witwen und Waisen, Kapitals- oder Rentenversicherung), endlich Versicherung
gegen Erwerbsunfähigkeit infolge von Kranklieit, Unfall, Invalidität oder Alter
unterschieden. Der wirtschaftliche Nutzen der Versicherung besteht darin, daß
die Prämien aus dem Einkommen entnommen werden, während der ungedeckte
Schaden das Vermögen, die Erwerbsfähigkeit oder den Unterhalt der Versicherten
träfe, also viel schwerer zu tragen wäre. Alle Versicherung belastet die Gegenwart,
um vor den Folgen größerer zukünftiger Schädigungen zu sichern. Als Träger
der Gefahr tritt bei den auf Gegenseitigkeit beruhenden Versicherungsanstalten
die Gesamtheit der Versicherten, bei den Versicherungsunternehmungen aber
entweder privates Kapital oder eine öffentliche Körperschaft ein, im ersteren Falle
in der Regel mit, im letzteren Falle ohne Gewinnabsicht^).
Zur Errichtung von privaten Versicherungsanstalten ist
in Österreich eine staatliche Konzession erforderlich. DassogenannteVersicherungs-
regulativ, eine Verordnung des Ministeriums des Innern aus dem Jahre 1896, stellt
Bestimmungen für die Errichtung, den Geschäftsgang und die Überwachung der
Versicherungsanstalten auf, um die Einhaltung ihrer Verbindlichkeiten zu sichern
und die Interessen der Versicherten zu wahren.
Durch die Sozialversicherung wird der Versicherungsgedanke in
den Dienst der Sozialreform gestellt: die Arbeiter und Personen in ähnlicher
Stellung sollen nach dem Versicherungsprinzip vor den verhängnisvollen Folgen
von Krankheit, Unfällen, Invalidität und Alter geschützt werden-). Auch die
Versorgung von Witwen und Waisen wird angestrebt, die Versicherung gegen
Arbeitslosigkeit wenigstens theoretisch erwogen. Durch die Arbeiterversicherung
werden einige der wichtigsten Ursachen der sozialen Not beseitigt oder doch in
ihrer Wirkung abgeschwächt. Im Gegensatze zur Privatversicherung ist sie eine
*) Die Summe derVersicherungen gegen Feuersgefahr betrug Ende 1906 in Österreich
27"6 Milliarden Kronen. Über den Stand der privaten Lebensversicherung in diesem
Jahre unterrichten die folgenden Ziffern:
Versicherte Versicherungssumme
Personen in Millionen Kronen
Kapitalsversicherung auf den Todesfall . . . 33.907 612-5
Kapitalsversicherung auf den Erlebensfall . . 240.711 439*1
Gemischte Kapitalsversicherung 547.710 1601*6
Rentenversicherung 21.537 151
*) Vergl. C. Witowski, „Die Arbeiterversicherung in den Kulturstaaten" (Sammlung
Kösel), 1910.
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Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918