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XLVI. Die soziale Fürsorge. 215
die der Unfallsversicherungspflicht unterliegen. Außerdemkönnen die Unternehmer
von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben samt ihrem Personal kollektiv,
andere Personen unter 35 Jahren einzeln der Krankenversicherung freiwillig
beitreten. Personen, deren Versicherungspflicht erloschen ist, können weiter-
hin in der Versicherung verbleiben^). Die Entscheidung darüber, ob auch
die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter in die Krankenversicherung ein-
bezogen werden sollen, ist der Landesgesetzgebung überlassen. Bisher sind sie
noch in keinem Lande Österreichs als krankenversicherungspflichtig erklärt
worden. Die Reform der Sozialversicherung wkd die Krankenversicherung auf die
Landwirtschaft ausdehnen. Gegenstand der Versicherung sind im Krankheitsfalle
ärztliche Behandlung, die Beistellung von Heilbehelfen und ein Krankengeld im
Ausmaße von 60 Prozent des bezirksüblichen Taglohnes oder freie Kur und Be-
handlung in einem Krankenhause, im Sterbefalle ein Beitrag zu den Beerdigungs-
kosten. Die Krankenunterstützung wird solange die Krankheit dauert und, wenn
sie nicht früher endet, durch mindestens 20 Wochen, die Wöchnerinnenunter-
stützung durch mindestens vier Wochen gewährt. Weitergehende Leistungen
können durch Statut vorgesehen werden. Eine dreitägige Karenzfrist soll Simula-
tionen hintanhalten.
Träger der Krankenversicherung sind für alle jene Versicherungspflichtigen,
die keiner anderen zugelassenen Krankenkasse angehören, die nach Gerichts-
bezirken organisierten Bezirkskrankenkassen, deren Vorstand von den Kassen-
mitgliedern gewählt wii'd. Außerdem sind Betriebs-, Bau-, Genossenschafts-,
Vereinskrankenkassen, Bruderladen und registrierte Hilfskassen zugelassen. Die
nach versicherungstechnischen Grundsätzen erforderlichen Mittel bringen die
Kassen durch Beiträge auf, die in Prozenten des Lohnes bemessen werden. Zwei
Drittel treffen den Dienstnehmer ; mindestens ein Drittel hat der Dienstgeber bei-
zutragen. Die Höhe der Beiträgewd durch die Statuten der einzelnen Kassen
des näheren geregelt ; der Belastung der Dienstnehmer zieht das Gesetz Schranken^).
Die Einführung der Invaliden- und Altersversicherung in
Verbindung mit einer Hinterbliebenenversicherung hat das österreichische
Parlament bereits beschäftigt. Die Regierung hatte im Jahre 1908 einen darauf
abzielenden Gesetzentwurf im Abgeordnetenhause eingebracht. Auch war be-
absichtigt, die einzelnen Zweige der Sozialversicherung in einen engeren Zu-
sammenhang miteinander zu bringen, um die Verwaltung zu vereinfachen.
Durch die im März 1911 erfolgte Auflösung des österreichischen Abgeordneten-
hauses ist diese Vorlage vorläufig gegenstandslos geworden. Es besteht jedoch
kein Zweifel darüber, daß sich das Parlament früher oder später mit dem
gleichen Gegenstande zu beschäftigen haben wird und daß die Hauptgesichts-
punkte dernunmehr abgetanen Regierungsvorlage in einem neuen Entwürfe wieder
aufleben werden. Aus diesem Grunde werden hier die Grundzüge der Invahden-
und Altersversicherung, wie sie nach dem Entwürfe von 1908 geplant war, in
aller Kürze mitgeteilt:
1) Es sind jedoch nur die Bezirkskrankenkassen verpflichtet, auch nichtversicherungspflichtige
Personen aufzunehmen. — ^) Im Jahre 1907 bestanden in Österreich 2897 Krankenkassen mit
rund 2-9 Millionen Mitgliedern. Es wurden 1-6 Millionen Erkrankungen angezeigt und bei
27-8 Millionen Verpflegstagen rund 57-8 Millionen für Unterstützungen, sowie für Heil-, Spitals-
und Beerdigimgskosten aufgewendet.
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Buch Österreichische Bürgerkunde"
Österreichische Bürgerkunde
- Titel
- Österreichische Bürgerkunde
- Autor
- Heinrich Rauchberg
- Verlag
- Verlag von F. Tempsky
- Ort
- Wien
- Datum
- 1911
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.4 x 24.0 cm
- Seiten
- 278
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918