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Vorwort
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ßerst schmales Konvolut, durch das die Genese dieses Werkprojekts nur bruchstück-
haft nachvollzogen werden kann.
Das vorhandene Material ist jedoch äußerst interessant, da es inhaltlich sehr dis-
parat ist. In den frühen Entwürfen und Textstufen von K1 skizziert Horváth eine „Ko-
mödie des Menschen in 3Teilen“ (K1/E1) bzw. eine „Komödie des Menschen“ (K1/E7),
die offensichtlich von der Antike über das Mittelalter bis zur Französischen Revolu-
tion reichen sollte. Darauf weisen Figuren wie „Alexander der Grosse“, „Napoleon“,
„Robespierre“, „Barbarossa“ sowie „Isabella und Ferdinand“ hin (vgl. K1/E1 und E2).
Auch (römische) Gottheiten wie „Mars“, „Venus“, „Juppiter“, „Hera“ und „Merkur“
sollten in dem Werkprojekt auftreten. In K1/E6 werden sogar „Adam“ und „Eva“ als
Figuren erwogen. Der in K1/E2 ebenfalls genannte „Torquemada“ legt eine Fährte in
die Zeit der Gegenreformation: Tomás de Torquemada (1420–1498) war der erste
Großinquisitor Spaniens und Beichtvater der gleichfalls in K1/E2 erwähnten Isabella
von Kastilien. In K1/E5 wird jedoch bereits eine fiktive Handlung mittels fiktiver Fi-
guren angedacht. Dort werden nämlich „Luise, die Tochter“ und „Karl, ein junger
Mann“ erwähnt.
In K1/E8 skizziert Horváth eine Handlungsstruktur, die in der Zeit der „Hexen-
verfolgung“, also in der Frühen Neuzeit, angesiedelt ist. Eine „Mutter“ bittet dort in
einer ersten Szene „St. Petrus“ darum, ihre Tochter „100 Jahre später leben“ zu las-
sen, wenn es die Hexenverfolgung nicht mehr gibt. Die zweite Szene spielt in der Zeit
der „Französische[n] Revolution“. Die Hauptfigur Luise (vgl. K1/E5) soll laut der da-
zugehörigen Notizen so „blutgierig“ sein, dass sie geköpft wird. In der Hölle schließt
sie jedoch einen „Pakt mit dem Teufel“. Sie darf daraufhin wieder „hinauf“ (auf die
Erde), verspricht „noch vielmehr Seelen“ zu gewinnen, bringt aber keine einzige
Seele, sondern „verliebt sich“. Hierin ist ansatzweise bereits die Handlung des spä-
teren „Märchens in zwei Teilen“Himmelwärts angelegt. In K1/E10 notiert Horváth zu-
nächst Konfigurationen: „St. Petrus“ und „kl. Bub“, „St. Petrus“ und „ein Mann der
Kreuzzüge“, der in die Hölle kommt, sowie „St. Petrus“ und „Frau des Mannes“, deren
„Tochter als Hexe angeklagt“ ist. Die Frau bittet den Heiligen Petrus, er solle ein
Wunder wirken, indem er sie in einer Zeit leben lasse, „in der die Menschen an keine
Hexen mehr glauben“. Auch in K1/TS1 wird Petrus von der Mutter um ein Wunder ge-
beten, doch er lehnt dies mit folgenden Worten ab: „Wunder sehn wir nicht gern!“
und „die Leut sind so undankbar! Zuerst flehens nach dem Wunder, dann kriegen Sie
es und dann sagens: ich habs geschafft aus eigener Kraft!“
In K1/E11 fällt erstmals der Name „Steinthaler“, der der Name der Hauptfigur Luise
und ihrer Eltern in der Endfassung von Himmelwärts (K1/TS7/A2) sein wird. In dem
Entwurf entwickelt Horváth auch eine deutliche Strukturierung in Szenen im „Him-
mel“, auf der „Erde“ und in der „Hölle“, was ebenfalls bis zur Endfassung erhalten
bleiben wird, letztlich aber auf VA1 und VA2 zurückgeht, in denen es bereits eine
deutliche Strukturierung in Bilder auf der Erde und in Arkadien/im Himmel gab. In
K1/E12 notiert Horváth ein „Altarbild“, das in ein „Oben“, eine „Mitte“ und ein „Un-
ten“ geteilt ist, was eine Strukturidee von K1/E11 wiederaufnimmt und auf den Titel
der fragmentarischen FassungOben und Unten (K1/TS6/A3) vorausweist. K1/E13 führt
die Ideen der vorhergehenden Strukturpläne weiter aus, indem Figuren wie der Teu-
fel und ein Vizeteufel hinzukommen und der Vater Luises den Namen Ferdinand er-
hält. Die Handlung reicht hier weiterhin nur von der Kreuzfahrerzeit bis in die Zeit
der Hexenverfolgungen.
Mit K1/TS2 und E15 erwägt Horváth eine neue Strukturierung in eine Zeit des „Grif-
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Band 1
- Titel
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Untertitel
- Historisch-kritische Edition
- Band
- 1
- Autor
- Ödön von Horváth
- Herausgeber
- Klaus Kastberger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 338
- Kategorien
- Weiteres Belletristik