Seite - 249 - in Wiener Ausgabe sämtlicher Werke - Historisch-kritische Edition, Band 1
Bild der Seite - 249 -
Text der Seite - 249 -
Lesetext
249
teltakt?! Blamage! Immer nur sich selbst beschweren, das hält ja beim Teufel kein
Teufel aus! Zum Teufel!
ERSTER VERDAMMTER Pardon, HerrVizeteufel, aber wir sind doch arme verdammte
Seelen und so ein bisserl Gesang erhebt uns halt –
VIZETEUFEL „Erhebt“? Welch ketzerisches Ketzerwort! Ihr wollt Erhebung in der
Höll, wo offiziell nur erniedrigt wird? Ah, das ist aber eine luxuriöse Vorstel-
lungswelt! Ihr murrt?! Na wartet! Gleich kommt er selber, der Herr und Meister,
unser Teufel in persona!
ZWEITER VERDAMMTER Um Gottes, wollt sagen: um des Teufels willen!
VIZETEUFEL Jetzt gratulier dir aber, daß du dich nicht total versprochen hast! Mir
scheint, dir scheint dein Schutzengel, wollt sagen: dein Schutzteufel im allerletz-
ten Moment aufs Maul geschlagen zu haben – Pst! Er kommt!
DER TEUFEL (kommt mit einigen HÖLLENSCHERGEN.) Guten Morgen, Leute!
DIE VERDAMMTEN Gute Nacht!
TEUFEL (zumVIZETEUFEL) Rapport!
VIZETEUFEL Melde gehorsamst, ein Vizeteufel mit fünfhundertsechsundsiebzig ver-
dammten Seelen!
TEUFEL Danke! Wie gehts, wie stehts? Untersteht sich wer, sich zu beschweren?
ERSTER VERDAMMTER Melde gehorsamst: ich.
TEUFEL Und zwar?
ERSTER VERDAMMTER Ich hab Sehnsucht.
TEUFEL Das haben wir alle. Aber nach was denn?
ERSTER VERDAMMTER Ich möcht mei Ruh haben.
TEUFEL Ruh? Ruh in der Höll?! (zu seinenSCHERGEN) Also der kriegt ein Fichtelna-
delbad, damit er sich beruhigt! Dauer: achthundert Jahr, aber so heiß, daß er friert,
bitt ich mir aus!
ZWEI SCHERGEN (stürzen sich auf den ERSTEN VERDAMMTEN und schleppen ihn ab.)
ERSTER VERDAMMTER Oh, könnt ich nur erfrieren!
TEUFEL Hier erfriert niemand, hier friert man nur! Merk dir das!
DRITTER VERDAMMTER Melde gehorsamst, ich möcht mich auch beschweren, weil
ich nämlich keine Auskunft bekomme.
TEUFEL Was heißt das? (zumVIZETEUFEL) Wer ist das?
VIZETEUFEL Aufzuwarten, das ist ein gewisser ehemaliger Gerichtsvollzieher, na-
mens Ferdinand Steinthaler, und der erkundigt sich immer nach dem Schicksal
seiner einzigen Tochter, aber wir dürfen ihm doch nichts verraten, denn solang er
gelebt hat, hat er sich um seine Familie überhaupt nicht gekümmert, weil er eben
auch schon ein typischer Alkoholiker gewesen –
TEUFEL (unterbricht und herrscht ihn an.) Genug! Ich bin ja nicht begriffsstutzig!
VIZETEUFEL (eingeschüchtert) Aufzuwarten!
STEINTHALER Ich bitt Sie, lieber Herr Teufel, wie gehts denn jetzt meiner Tochter,
Luise heißt sie, und wie ich gestorben bin, wars so groß– (Er deutet einen halben
Meter hoch.)
TEUFEL Das geht zu weit! Ich bin doch kein Auskunftsbüro!
STEINTHALER Wenn man wenigstens nur ein Krügel Bier –
TEUFEL Bier?! Das auch noch?! (zu seinenSCHERGEN) Gebt ihm ein Krügel frisches
flüssiges Feuer! Prost! (ab)
(Dunkel)
5
10
15
20
25
30
35
40
45 Himmelwärts Endfassung, emendiert
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Band 1
- Titel
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Untertitel
- Historisch-kritische Edition
- Band
- 1
- Autor
- Ödön von Horváth
- Herausgeber
- Klaus Kastberger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 338
- Kategorien
- Weiteres Belletristik