Seite - 261 - in Wiener Ausgabe sämtlicher Werke - Historisch-kritische Edition, Band 1
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Sprung auf die Erde hinauf, ich hab da droben nämlich so diverse Kontrakte ge-
schlossen, und da muß man halt immer wieder persönlich nachkontrollieren –
LAUTERBACH Aha!
TEUFEL Aber die Sach ist jetzt die, daß ich momentan unmöglich weg kann von hier.
(Er fährt den VIZETEUFEL an.) Immer diese ewigen Reparaturen!
VIZETEUFEL (zittert sehr.) Aufzuwarten!
TEUFEL Unerhört! (zuLAUTERBACH) Also die Sach ist die: Vor zirka 30Jahr hab ich
mit so einem nichtsnutzigen Menschen einen Kontrakt geschlossen, den üblichen
Kontrakt: Er hat mir für fünftausend Jahr seine unsterbliche Seele verkauft, und
dafür ist er halt eine Persönlichkeit geworden. Ein Intendant.
LAUTERBACH Also eine künstlerische Persönlichkeit.
TEUFEL Ist ja egal! Was mir aber nicht egal ist, ist, daß er mich jetzt wieder mal be-
trügen möcht, und zwar ganz schamlos betrügen! Trotzdem daß ich seinen ver-
flixten Kontrakt um sieben fette Jahre verlängert hab! Er hat mir zwar eine neue
Seel für die Ewigkeit geliefert, einen lyrischen Sopran, aber jetzt, wo sein Ter-
min fällig wird, kommt er mit lauter lächerliche Einwänd daher, mit Paragraphen
außer Kraft und vermauerte Hintertürln, ja sogar am Datum hat er schon herum-
radiert! Lieber Herr Lauterbach, Sie kommen doch jetzt in den Himmel, und da
fliegens doch sowieso an der Erde vorbei, geh, gebens da diesen Brief dem Inten-
danten ab – (Er überreicht ihm ein Couvert.) Es ist mein allerletztes Wort, sonst
bescher ich ihm einen Todeskampf, an den er bis zum jüngsten Tag denken wird!
LAUTERBACH (betrachtet das Couvert.) Was seh ich? Den kenn ich ja, diesen Inten-
danten! Und der hat einen Vertrag mit Ihnen?!
TEUFEL Allerdings!
LAUTERBACH Hab ich mir doch immer schon gleich gedacht!
TEUFEL Also bittschön seins so schlecht, und erledigens mir die Sach! Ob Sie jetzt
eine halbe Stunde früher oder später in den Himmel kommen, spielt doch bei der
Ewigkeit keine nennenswerte Rolle. Logischerweise!
LAUTERBACH Das auch!
(Dunkel)
III.
Auf der Erde.
In Luise Steinthalers Künstlergarderobe. Überall liegen und stehen Blumen. Es ist
während des ersten Aktes, und man hörtLUISE auf der Bühne singen. Auch die Stim-
men ihrer Partner und die Klänge des Orchesters dringen herein. DieGARDEROBEN-
HEX sitzt an einem Tischerl und tut sich Kartenschlagen. Es klopft an der Gardero-
bentür.
HEX Herein!
LAUTERBACH (tritt ein mit dem Couvert vom TEUFEL.) Pardon, bin ich hier recht in
der Künstlergarderobe der Opernsängerin Steinthaler?
HEX Jawohl, das sind wir. Aber die Madame empfängt keine Seel!
LAUTERBACH Ich benötig ja auch nicht die Madame, sondern den Intendanten, und
man hat mir gesagt, daß er hier drinnen weilt. Ich soll ihm nur diesen Brief da
übergeben –
HEX (nimmt ihm das Couvert aus der Hand.) Gebens her, ich gibs ihm schon!
LAUTERBACH Aber sicher, denn es dreht sich um etwas ungewöhnlich Wichtiges, so-
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45 Himmelwärts Endfassung, emendiert
Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
Historisch-kritische Edition, Band 1
- Titel
- Wiener Ausgabe sämtlicher Werke
- Untertitel
- Historisch-kritische Edition
- Band
- 1
- Autor
- Ödön von Horváth
- Herausgeber
- Klaus Kastberger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-058470-7
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 338
- Kategorien
- Weiteres Belletristik