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Kauer1598
Mario, Antoni, Franzl), der später hingerichtet wird, in ihren Wohnungen im 21. Bezirk.
H. K. hat auch Kontakt zu Vinko Platajs und Juliane Kellner aus der Südsteiermark, die sich
als Kuriere an der Literaturverbreitung innerhalb Österreichs beteiligen.
Am 5. Juli 1943 schlägt die Gestapo zu. H. K. und ihre erst 14-jährige Tochter Edith
– sie ab-
solviert gerade das letzte Hauptschuljahr und ist bereits seit sieben Jahren Ballettschülerin in
der Wiener Staatsoper
– werden verhaftet und einem Verhör unterzogen. Laut Gestapo-Pro-
tokoll hat Edith nie Religionsunterricht besucht und ist von ihren Eltern religiös erzogen
worden. Die Gestapo stellt fest, dass sie „trotz ihres jugendlichen Alters von ihren Eltern
derart im Sinne der Lehre der verbotenen Sekte der IBV beeinflusst ist, dass sie den heutigen
Existenzkampf des Deutschen Volkes als ein großes Unrecht bezeichnet. Sie steht ebenfalls
auf dem Standpunkt auf Grund des 5. Gebotes Gottes jede Arbeit, die für die Verteidigung
des Reiches notwendig ist, abzulehnen. Sie wurde zur weltanschaulichen Schulung im ns.
Sinne, an die Dienststelle der Jugendgerichtshilfe in Wien III, Rüdengasse Nr. 7, zur Unter-
bringung in einem ns. Heim, überstellt.“ (Abschlussbericht Gestapo Wien vom 26. Juli 1943).
H.s Mutter, Marie Tautz, stirbt am 10. Juli 1943 an den Folgen eines Schlaganfalls. H.s
Ehemann Josef Kauer wird nicht verhaftet, da er plausibel machen kann kein Zeuge Jehovas
zu sein und bereit ist, Militärdienst zu leisten.
Trotz dieser bedrückenden Umstände, bleibt H. bei den Verhören standhaft. Am 27. August
1943 wird sie von einem Sondergericht in Wien zu „nur“ acht Monaten Gefängnis wegen
Betätigung für die IBV verurteilt, die sie unter Anrechnung der Untersuchungshaft in Wien
verbüßt. Allerdings werden die Ermittlungen fortgesetzt. Am 22. Februar 1944 wird sie von
der Gestapo ins Polizeigefängnis München-Stadelheim überstellt und trifft dort auf Vin-
ko Platajs und Juliane Kellner. Während ihrer Haft erkennt H. K. bei den umfangreichen
und mit Schlägen verbundenen Verhören auch Narciso Riet wieder, den bei ihr mehrmals
auf Besuch gewesenen „Franzl“. Auch hier im Gefängnis fühlt sie sich durch seine Worte
ermuntert.
Es kommt schließlich zu einer umfangreichen Anklage vor dem Volksgerichtshof. Am
29. August 1944 wird H. K. vom Volksgerichtshof in Berlin zu fünf Jahren Zuchthaus ver-
urteilt. Der Hauptanklagepunkt besteht darin, dass sie Kontakte zu mehreren „Funktionä-
ren“ der Zeugen Jehovas, v. a. Narciso Riet und Johann Hörstgen (beide aus dem Gebiet
Mühlheim/Ruhr), Vinko Platajs und Juliane Kellner (aus Leibnitz) gehabt habe und von
diesen verbotene „wehrkraftzersetzende“ Bibelforscher-Literatur erhalten bzw. an sie wei-
tergegeben habe: „Die IBV fordert ihre Anhänger auf, jeden Wehrdienst, ja darüber hinaus
jede Dienstleistung für Kriegszwecke, wie den Luftschutzdienst und die Rüstungsarbeit
zu verweigern. [ …] Die Einstellung der IBV zum nationalsozialistischen Reich und zum
Wehrdienst war den Angeklagten auch bekannt. Durch ihre Hände sind eine ganze Anzahl
von Schriften im Laufe der Zeit gegangen. [ …] Die Angeklagte Kauer ist allerdings wegen
ihrer damaligen Tätigkeit für die IBV bereits durch Urteil des Sondergerichts in Wien vom
27. 8. 1943 mit acht Monaten Gefängnis bestraft. Die Verurteilung erfolgte aber nur wegen
eines Teils ihrer Straftat, nämlich wegen ihrer Beziehungen zu Hörstgen und Riet, da sie
den wirklichen Umfang ihrer Tat verschwiegen hat. […] Auf Wehrkraftzersetzung steht
grundsätzlich die Todesstrafe. […] Auf Grund des persönlichen Eindrucks der beiden An-
geklagten und ihres Verhaltens in der Hauptverhandlung ist der Senat zu der Überzeugung
biografiA.
Lexikon österreichischer Frauen, Band 2, I – O
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- biografiA.
- Untertitel
- Lexikon österreichischer Frauen
- Band
- 2, I – O
- Herausgeber
- Ilse Korotin
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79590-2
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1026
- Kategorie
- Lexika