Seite - 16 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Jahren 1848/49 viele Elemente mit hohem Bildungsgrad in der
Armee Aufnahme gefunden, die vorher anderes aspiriert hatten.
Die Ausbildung in den Kadetteninstituten war wohl eine durch-
aus genügende, dagegen sah's mit derErziehung schlechter aus. Diese
war fast ausschließlich den Aufsichtsunteroffizieren anheim gelegt.
Es gab unter ihnen tüchtige und brave Männer, doch konnten sich
die meisten das persönliche Ansehen nur durch ihre Dienstgewalt
verschaffen. So wurde mancher frohe Knabensinn gebrochen, Augen-
dienerei, Duckmäuserei und Servilität groß gezogen. Eigenschaften,
die durch das militärische Leben oft noch fortgebildet und kaum je
wieder ausgemerzt wurden. Ein geistvoller hochgestellter Offizier
sagte treffend: „Wir wurden zu Zöglingen und nicht zu Männern
erzogen."
Psychischen und ethischen Ausbildungsmomenten wandte man ge-
ringe Bedeutung bei. Musik, Gesang, Anstandslehre wurden nicht
gepflegt, und wenn einer derartige freie Künste von Hause mit-
brachte, wurde er fast wie ein unmilitärischer Weichling an-
gesehen.
Hart soll ja die militärische Aufzucht sein, doch nicht derb, wie
sie es damals häufig war.
Natürlich war alles streng geregelt. OhneKommando gab's keine
Verrichtung. SelbstzumWaschen wurden wir viertelweise imMarsch-
tempo geführt.
Unübertrefflich war bei uns allen das anbetungsbereite, kaisertreue
Empfinden, dem auch das Lehrpersonal die größte Aufmerksamkeit
zuwandte.
In den Winter^) 1863/64 fiel der Bundesfeldzug gegen Dänemark.
Die Nachrichten vom Kriegsschauplatz erregten unser größtes Inter-
esse. Den Gipfelpunkt bildete das Seegefecht bei Helgoland. Von
jenem Momente an wollte ich unbedingt Zögling der Marineschule
und natürlich einst ein Seeheld werden. Diese Schwärmerei, die
^) Vor Beginn dieses Winters wurde mein Vater zum Oberstaatsanwalt in
Lemberg ernannt, nachdem sein Vorgänger auf diesem Posten, inBekämpfung
der revolutionären Bewegung, auf offenerStraße ermordet worden war. Diese
Bewegung verfolgte denZweck, die in Russisch-Polen ausgebrochene Revolution
zu fördern und sich im gegebenen Falle auch gegen die einheimische Regierung
zu kehren. Von dieser wurde die Verfolgung der revolutionären Elemente
wohl ernst betrieben, in der Gesellschaft aber— und nicht nur in der polnisch-
nationalen— gab sich viel Sympathie für die Aufständischen kvmd, die im
geheimen manchen Händedruck erhielten. Einer jener Fälle, wo man wollte
und doch nicht wollte! Dies erschwerte das Amt der maßgebenden Persön-
hchkeiten, was für meinen ehrgeizigen Vater, den typischen Repräsentanten
von Zucht und Ordnimg, nur ein weiterer Ansporn war. Er blieb auf diesem
exponierten Posten 9 Jahre. Mittlerweile hatte sich das Regierimgsprinzip
geändert, und der feuereifrige Beamte war der neuen Richtung unbequem.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918