Seite - 25 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Das Ansehen der Anstalt hatte— gleich jenem der ganzen Armee
— in der letzten Zeit einen Abbruch erlitten. Man wies zwar mit
Stolz aufKuhn, John, Raming, und auchBenedek wurde noch immer
mit Achtung genannt. Doch souverän war die Anerkennung nicht
mehr. Auch geifert der Neid immer am heftigsten, wenn der Be-
neidete, gleichviel aus welchen Motiven, von der dominierenden
Höhe herabsteigen muß. Diese verminderte Wertschätzung fühlten
wir aus manchen spitzen Bemerkungen, doch focht es unsern glück-
lichen Jugendsinn nicht weiter an.
Die akademischen Einrichtungen ähnelten jenen des Kadetten-
institutes, nur waren sie großzügiger; doch hinsichtlich der szienti-
fischen Ausbildung eher inferior.
Den ersten Urlaub verbrachte ich wieder bei meinen Eltern inLem-
berg, wobei ich Gelegenheit hatte, den politischen Umschwung zu
beobachten, das Erstarken des polnischen und das Erlahmen des
deutschen Prinzips, was in den folgenden Jahren immer drastischer
zur Geltung kam.
Da mein Bruder Conrad in Lemberg als Generalstabsoffizier sta-
tioniert war, bot sich mir Gelegenheit, den Truppenübungen als Zu-
schauer beizuwohnen. Bei jeder Übung war ich draußen, stand zum
Entsetzen der Eltern oft schon um 3 Uhr früh auf, lief die Fronten
ab und folgte den Kolonnen mit nimmermüdem Eifer. Ich habe
mirauch vielesgemerktundmeine heute, daßman den alten Generalen
und sonstigen Führern unrecht täte, wenn man annehmen wollte,
daß damals in der oberen Führung die Fehlerquellen reichlicher
flössen als später.
Den ungeheuren Fortschritten entsprechend, haben sich die tak-
tischen Detailmaßnahmen wohl grundhältig geändert, doch die Füh-
rung hat im großen keine überwältigenden Fortschritte gemacht.
Damals gab's wie heute geschickte und ungeschickte Führer. Nur
die Leitung der Übungen ist systematischer und großzügiger ge-
worden, gleichwohl sich auch da in den letzten Jahren vor dem Kriege
eine hastige, die Waffenwirkmig bagatellisierende Tendenz geltend
gemacht hat.
Zu jener Zeit sahman mitunter komische Manöverbilder. Da hatte
man z. B. für die Reservisten noch keine Monturen. Und so erschien
anno 1868 die Mannschaft eines fast kriegsstarken Reservisten-
bataillons des L-emberger Hausregiments nur mit Hemd, Unter-
hose und einem riesigen, altertümlichen Tschako bekleidet. —
Das zweite Akademiejahr begann unter einem neuen Regime.
Äußerlich war es eine Verquickung von Internatsleben und akade-
mischer Ungezwungenheit, innerlich— besonders in szientifischer und
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918