Seite - 34 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Landwehren, in ihrer späteren Ausgestaltung spezifisch österreichisch-
ungarische Annexe, fristeten bereits ein embryonales Dasein. Die
Einjahrig-Freiwilligen-Institution begann sicheinzuleben, undderRuf
nach einem einheitlich gebildeten Offizierskorps wurde vernehmbar.
Es würde zu weit führen, die schweren Geburtswehen des Volks-
heeres, die mächtigen Strömungen zu schildern, die sich anfänglich
dagegen geltend machtenund die selbstvon sehr erleuchteten Köpfen,
wie Heß und John, ausgingen. Tatsächlich war es auch staunens-
wert, daß in einem so verschiedenartig zusammengesetzten Staats-
körper, dessen Glieder oft die entgegengesetztesten Tendenzen ver-
traten, ein Volksheer sich durchzusetzen vermochte und 50 Jahre
später— im Weltkriege— schließlich doch die ernsteste Probe be-
stehen konnte.
Von den kolossalen Unterschieden nach Herkunft, Vorbildung
und Alter in der Zusammensetzung des Offizierskorps habe ich schon
erzählt. Mit Deutlichkeit erkannte ich dies, als ich einmal mit einem
Kameraden, gleichfalls einem Leutnant, als Gerichtszeuge fungierte
und wir beide das Nationale abgaben. Er: Leutnant Josef Bauer,
geb. zu X., 42 Jahre alt. Ich: Leutnant M. R. v. A., geb. zu Troppau,
19 Jahre alt. Wir hatten Hauptleute, hohe Fünfziger, die den Dienst
zuFuß machen mußten, da damals nur einHauptmann per Bataillon
beritten war. Danebenwaren etlichejungestrebsameoder streberische
Kapitäne, die den hauptsächlichen Nachwuchs für Stabsoffiziere
abgaben. Manche unter ihnen besaßen eine umfangreiche allgemeine
Büdung. Die militärischen Fachwissenschaften wurden aber merk-
würdigerweise nur oberflächlich tmd ohne rechtes System behandelt.
Ein solches existierte fast überhaupt nicht. Alles war Versuch, oft
mit düettantischer Auffassung. Aus dem strengen Paradedrill sprang
man flugs in den sog. freiheitlichen Modus, was nicht ohne Lockertmg
der Disziplin vor sich ging, um so mehr als die alten Unteroffiziere
fastganz aus den Reihenverschwandenund diegrundfalscheAnschau-
ung Boden gewann, daß sich straffe Zucht und exakte DetaUausfüh-
rung mit Intelligenz und geistvoller Auffassung des Kriegsmetiers
nicht vertrügen. An Fleiß und Arbeitslust fehlte es durchaus nicht,
doch war man sich über die zu erreichenden Ziele im imklaren, die
daher oft wechselten.
Zum Nutzen des Staates nahm man die Bewaffnung der Infanterie
mit dem ausgezeichneten Werndlgewehr vor. Dazu schuf man die
große Gewehrfabrik in Steyr, die sich stets, im Weltkrieg aber ganz
hervorragend bewährte.
Mit diesem Gewehr in der Hand wurde man sich langsam der
Schützentaktik bewußt, vorerst durch häufigeren Schießgebrauch.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918