Seite - 45 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Schichten der Bevölkerung durchzog, L-eistungen vollbracht wurden,
an die die kühnste Phantasie nicht gedacht hätte^).
Diemeisten Reserveregimentermitihremwenighomogenen Offizier-
korps gaben damals— zum mindesten im Anfang— kein sehr erfreu-
liches Bild. Ich begegnete zum Beispiel einem Reserveregiment
amMarsche, allerdingsbeigroßerHitze, dochbeikurzerMarschleistung.
Dieses 2000 Mann und ca. 40 Fuhrwerke zählende Regiment nahm
eine Marschtiefe von gut 7km ein, und auf den Vorspannwagen lagen
die Leute nur so zu Häuf. Während der Operation gab es allerdings
fast gar keine Nachzügler, weil dies für sie eine höchst gefährliche
Sache war. Aber schließlich ist es keine aufmunternde Erscheinung,
wenn für dieErhaltung derMarschdisziplinindirektder—Feindsorgen
muß! Über den Gefechtswert der Truppen kann ich kein Urteil
abgeben, weil die vier Gefechte, an denen ich teilnahm, doch nur
untergeordnete Unternehmungen gegen einen Gegner waren, der den
Widerstand eigentlich schon aufgegeben hatte. Ihre Pflicht hätte
die Truppe gewiß getan. Überragende Leistungen aber, wie sie im
Weltkrieg von den allermeisten Regimentern, selbst von Landsturm-
formationen wiederholt vollbracht wurden, hätte man damals kaum
erwarten dürfen.
Ich werde hier durchaus keine Beschreibung der bosnischen Kam-
pagne darlegen. Dieses Ereignis liegt weitab und erscheint über-
dies, an den jetzigen gigantischen Geschehnissen gemessen, völlig
zwerghaft. Doch einige interessante Streiflichter und Erlebnisse
möchte ich immerhin erzählen, weil sie schließlich für die allermeisten
kriegerischen Vorkommnisse typisch sind. Und wenn man von den
ganz ungleichen technischen Kriegsmitteln absieht, ändern sich die
Eindrücke, die auf den Einzelnen einwirken, nicht wesentlich, ob er
nun mit tausend oder mit einigen hunderttausend Mitkämpfern an
der Front steht.
Der Aufmarsch des IV. Korps brachte uns an die Save, in den
syrmisch-slaw^onischen Teil der alten Militärgrenze. In diesem ge-
segneten Landstrich herrschten noch vollauf die altpatriarchalischen
Grenzverhältnisse. DieRegimenterverschwanden völlig inden reichen,
ausgedehnten Ortschaften und fanden die günstigsten Bedingungen.
^) Eskannnun allerdingsvorkommen, daß politischeErwägvmgenwichtigster
Art einen Staat zu einer Okkupation oderAnnexion zwingen, wie dies eben hier
der Fall war. Dann muß aber durch verständige Agitation das allgemeine In-
teresserechtzeitigwachgerufen, unddiemilitärischenVorbereitimgenundMacht-
mittel müssen von allem Anfang an derartig großzügig getroffen werden, daß
der Erfolg mit Sicherheit gewährleistet ist, ohne zu große Inanspruchnahme
der Einzelleistungen. Trifft dies nicht zu, dann ist die ganze Aktion eben un-
richtig oder verfrüht angefaßt.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918