Seite - 65 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Welch heftige Stürme zogen seither über Adrianopel, die ehemalige
Türkenmetropole! Und wie merkwürdig ist deren Wiedereroberung
durch die Türken (Sommer 1913), die im Grunde durch einen selb-
ständigunternommenen Handstreich des damaligen MajorsEhverPa-
schabewirktwurde. Dieser ist einedermerkwürdigstenErscheinungen
der kriegerischen letzten Jahre. Halb Genie, halb Freibeuter, seinem
Vaterland mit Fanatismus ergeben, der Dynastie aber nur insoweit,
alssich'smitdenInteressenseinesVaterlandesvertrug.FürdieZentral-
mächte war er zweifelsohne eine besonders wertvolle Persönlichkeit.
DieBahn endete damals gleich westlichPhilippopel,undmanmußte
von da an die hundert Kilometer bis Sofia per Achse zurücklegen.
Hin verräterischer Kutscher fuhr mich in wildes Waldterram, aus
dem er angeblich nicht mehr herausfand. Eine Falle. JMit ge-
spanntem Revolver hieß ich denSchurken denWeg fortsetzen, dessen-
ungeachtet, daß sein Wagen in Fransen ging. Plötzlich traten sechs
Bewaffnete aus dem Dickicht. Ich glaubte, mein letztes Stündlein
hätte geschlagen. Da sah mein militärisches Auge die gleichmäßige
Bewaffnung der Bauerntracht tragenden Männer. Es war eine Miliz-
patrouüle, die als Sicherungsassistenz im Terram streifte. Mit böh-
mischen Brocken verständigte ich mich notdürftig. Der Kutscher
wurde verhaftet, und ich stelzte noch zehn Kilometer weit überStock
und Stein nach Ichtiman zum Richter.
InSofia, dieserdamalsschonmächtigaufstrebendenStadt, herrschte
just das Interregnum Stambulow. Alexander von Battenberg hatte
auf russisches Geheiß Bulgarien verlassen. Die Kandidatur des
Koburgers wurde aber vorerst noch geheim betrieben. Rußland, un-
bedingt dagegen, drangsalierte das I.and durch seinen Kommissär,
General Kaulbars. Österreich-Ungarn, im geheimen dafür, legte
dennoch dem Prinzen die größten Schwierigkeiten in den Weg, so
daß er sich völlig ins I,and schleichen mußte.
Während meiner Anwesenheit in Sofia gingen die Wogen besonders
hoch, worüber ich Einzelheiten von memem Akademiekameraden
Perakovic erfuhr, den ich dort als bulgarischen Rittmeister und ehe-
maligen Stallmeister des Fürsten von Battenberg fand. Mit ihm be-
suchte ich die Schlachtfelder von Slivnica, auf denen er— 1885—
in der Suite des Fürsten mitgekämpft hatte. Er erzählte wenigRühm-
liches über das Verhalten der Serben. Das hohe Selbstgefühl der
jungen bulgarischen Armee war in die Augen springend, deren Zu-
stand auch ein vortrefflicher — mindestens äußerlich. Innerlich
standen die Anhänger und Gegner Rußlands einander schroff gegen-
über, wobei erstere in der Majorität waren. Dies blieb auch so, bis
der Weltkrieg den großen Wandel schuf.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918