Seite - 100 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
Bild der Seite - 100 -
Text der Seite - 100 -
Kärntensund Südsteiermarks, bis an die Drau. Dieser ganze Staaten-
komplex sollte als Königreich Kroatien das dritte Glied im Bunde
der Monarchie darstellen.
Rechtsgründe sind bei staatsrechtlichen Fragen imd Streitfällen
immer zu finden, besonders wenn man sich auf die vielfach vagen
Aufzeichnungen einer grauen Vorzeit beruft. Sie sind übrigens stets
eher Macht- oder Gewalt- als Rechtsfragen. In diesem Falle stützte
sich Stardevic auf den ersten Pakt, den die Kroaten 1527, bald nach
Mohacs, in Cetinmitdem Kaiser ausdemHauseHabsburg geschlossen
hatten, sowie auf die Pragmatische Sanktion vom Jahre 1712 (also
IG Jahre vor der mit Ungarn vereinbarten Sanktion). Somit galt
die Tatsache, daß diese beiden grundlegenden Staatsakte seitens Kro-
atiens vollkommen selbständig, ohneVermittlungUngarns gesclilossen
wurden, für die Kroaten als Hauptmotiv für die Erlangung der
vollen staatsrechtlichen Selbständigkeit.
Den früher bezeichneten politischen Hauptgruppen stellte sich die
alte Unionistenpartei als eigentliche und vom offiziellen Ungarn ge-
stützte Regierungspartei gegenüber. Sie fußte auf dem Standpunkte
des 1868 zwischen Ungarn und Kroatien geschlossenen Ausgleiches,
der allerdings für Kroatien mehr ein Oktroi als ein Ausgleich war,
da er unter Ausschluß der in jeglicher Hinsicht so bedeutungsvollen
Militärgrenze perfektioniert worden war: ein spezielles Werk des
Grafen Julius Andrassy. Nicht mit Unrecht hatte er in der Müitär-
grenze eine Art habsburgischer Hausmacht oder Prätorianergarde
erblickt, die das selbstherrliche Ungarn jederzeit im Rücken hätte
fassen können. Er hatte auch, sobald der 1868er Ausgleich unter
Dach und Fach gebracht worden war, die Provinzialisierung der
Militärgrenze aufs energischste betrieben. Berühmt ist der Deak-
sche Ausspruch bei Beginn derAusgleichsVerhandlungen, daßUngarn
den Kroaten ,,ein Blatt weißen Papiers" übergeben werde, auf das
die Kroaten ihreWünsche schreiben könnten. Auf dieses Blatt mochte
wohl vorher immerhin vieles geschrieben worden sein— etwa mit
sympathetischerTinte—, was dann erst später, bei richtigerBehand-
lung, ans Tageslicht gelangte. Fast könnteman dies wörtlichnehmen,
da etliche Jahre später im Originaldokumente tatsächlich einige nicht
unwesentliche Korrekturen entdeckt wurden und auch die Ursache
von Interpellationen im kroatischen Landtag büdeten.
Der so zustande gekommene Ausgleich wurde in einer fürUngarn
liberalen Weise ausgelegt, was oft zu recht unangenehmen, an Auf-
stände gemahnenden Vorkommnissen führte. Wien— worunterman
vornehmlich die obersten Ingerenzen verstand— sah dem ziemlich
teilnahmslos zu, wenngleich man nicht ganz grundlos voraussetzte,
100
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918