Seite - 110 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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stellende und einheitliche Fortbildung der Offizierskorps bildete. Es
muß die Möglichkeit geschaffen werden, das Fachwissen nach einer
längeren Dienstzeit bei der Truppe systematisch, gründlich, die fort-
schreitenden Neuerungen umfassend, zu vermitteln, um den Offizier
vollwertig heranzubilden, auf daß er im ernsten Momente des Staats-
lebens als Führer des ganzen Volkes seiner verantwortlichen Aufgabe
gewachsen sei.
Zu meinen wichtigsten Obliegenheiten gehörte die Schaffung von
Unterrichtsbehelfen, da solche, trotz des großen kriegswissenschaft-
lichen Materials der Militärliteratur, nicht zur Verfügung standen,
wenigstens nicht so kompendiös verfaßt, wie sie sich für den Ge-
brauch in den Korpsoffiziersschulen geeignet hätten.
Meine Aufgabe war auch die Abfassung besonderer Elaborate und
die Bearbeitung aktueller Fragen. In all dem, sowie in meiner haupt-
sächlichen dienstlichen Eigenschaft war ich nur an den Kriegsminister
und an den Chef des Generalstabes gewiesen, späterhin auch an den
Minister des Äußern. Dies entsprach meinen Wünschen vollkommen.
Anfang Dezember, bei irgendeiner Radetzkyfeier, die vor dem
Denkmal des Marschalls, damals noch ,,Am Hof", stattfand, trat der
jugendliche Erzherzog Karl Franz Josef zum erstenmal offiziell auf.
Ich sehe den hübschen blonden Dragoneroffizier mit den gelben Auf-
schlägen noch vor mir, der mit großer Bescheidenheit die ihm ge-
zollten Ehren entgegennimmt. Wie wäre mir damals in den Sinn
gekommen, daß er neun Jahre danachmein Kriegsherr werden würde,
und zwar ein Kriegsherr, der mir gegenüber selbst die Gerechtigkeit
zur Seite stellte, um seine Ungnade besser zur Geltung zu bringen!
Allerdings, wer hätte damals auch vermutet, daß die Mission des
obersten Kriegsherrn ihm so bald zulcommen, und daß sie ein solch
klägliches Ende nehmen würde?
Meine dienstlichen Arbeiten hinderten mich nicht, die in Kroatien
gesponnenen Relationen aufrecht zu erhalten. Die meisten der dor-
tigen Politiker suchten mich auf, wenn sie nach Wien kamen. Be-
sonders jene der reinen Rechtspartei: Draskovich, Frank, Halper u. a.
Mein warmes Interesse für das I^and brachte mich auf den Ge-
danken, ein Benefizium für dessen spezifische Vertreter zu erwirken.
Als solche sah ich die alten Grenzeroffiziere an, von denen noch
hundert bis zweihundert im Lande lebten, darunter viele in ärmlichen
Verhältnissen. Diese letzten Epigonen des kaiserlichen Grenzvolkes,
meinte ich, sollten für ihren Lebensrest doch eine kaiserliche Unter-
stützung erhalten, die sie der dringendsten Sorgen entledigen würde.
Ich sandte an die Militärkanzlei ein wohlmotiviertes Memorandum
ein, das so überzeugend wirkte, daß es— fastzu meiner Überraschung
HO
Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918