Seite - 117 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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Habsburg. Es war ein Festgruß, bei dem sich patriotischer Schwung
und der farbenfrohe künstlerische Sinn des Österreichers aller Na-
tionen kundtat, und dem die prächtige Ringstraße und das geniale
Arrangement vor dem äußeren Burgtor— dem Brennpunkt aller
Huldigungen— die richtige Folie gaben. Dazu heller Sonnenschein—
ein wahres Festwetter, das das Bild vergoldete und ihm noch mehr
Frohsinn verlieh.
Auch eine Gratulationskur der Armee fand in jenen Tagen statt,
wobei Franz Ferdinand eine kernige, brillant vorgetragene Ansprache
hielt. Darauf folgte ein Generalsdiner, und am Abend eine Galavor-
stellung in der Oper. Nur Generale und hohe Offiziere, bei gänz-
lichem Ausschluß der holden Weiblichkeit, wodurch das Haus einen
eigenartig ernsten Eindruck machte.
Einige Tage vorher wurde eine Kaiserparade abgehalten, die eben-
falls im Zeichen der Jubiläumshuldigung stand. Alle Regiments-
inhaber—auch solche, die bereits in den Ruhestand versetzt waren—
führten ihre Regimenter dem greisen Monarchen vor, der sich von
seiner schweren Erkrankung im letzten Herbste wieder vollkommen
erholt hatte und nunvom Publikum, das aus naher und weiter Ferne
massenweise herbeigeströmt war, lebhaft akldamiert wurde. Es war
die letzte Parade, die der Kaiser in Wien abnahm. Ihr folgte nur
noch— zwei Jahre später— die in Sarajewo abgehaltene, wobei
ich Teile meines Korps vorführte.
Im Verlaufe des Sommers 1908 trat mein Mitwirken an den großen
politischen Tagesfragen noch deutlicher hervor. Gelegentlich meiner
häufigen Besuche im Ministerium des Äußern betonte ich stets von
neuem die Wichtigkeit der südslawischen Frage. Aehrenthal hatte
sie zwar schon seit langem erkannt, denn seine Demarche in der
Sandzakbahnangelegenheit war ja doch der erste Anstoß zu einer
aktiven Betätigung Österreich-Ungarns in der großen Direktion : Süd-
ost. Immerhin konnte ich ihm manche wertvolle Einzelheiten über
die Verhältnisse in den zu so großer Bedeutung gelangten südsla-
wischen Provinzen geben. Aehrenthal unterstützte auch die ihm
konvenierenden südslawischen Parteien moralisch durch einen ,,Coup
d'epaule" und durch die Subvention ihrer Presse; allerdings nur
mit einer geringen Summe. Doch bei dem kargen Budget, über das
das Ministerium in dieser Richtung verfügte, war es immerhin nen-
nenswert. Denn es standen für den ganzen Informationsdienst pro
Jahr nur ein bis eineinhalb Millionen zur Verfügung, in den anderen
großen Staaten das Zehn- bis Hundertfache! Das erklärt manches
Malheur, das man — oft mit Unrecht — der Ungeschicklichkeit
unserer Diplomatie zuschrieb.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918