Seite - 123 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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In den ersten Jännertagen fuhr ich nach Agram und Sarajewo
und fand dort jene Stimmung, die großen Ereignissen voranzugehen
pflegt. Alles sprach von dem zu erwartenden Krieg, und in Sara-
jewo boten die zahlreichen Truppen auf erhöhten Ständen ein krie-
gerisches Bild. Die serbische Bevölkerung verhielt sich vollkommen
reserviert, trieb aber nach Möglichkeit passive Resistenz. Die amt-
lichen Dignitäre zeigten ruhige Entschlossenheit. In Mostar sprach
ich mit dem Divisionär, Generalmajor Schemua, der mir mit-
teilte, daß im Land alles in bester Ordnung sei, nur müßte man die
Truppen baldigst auf den vollen Kriegsstand setzen, da der bereits
eingeleitete Grenzüberwachungsdienst an den Kräften zehre. Von
Ragusa fuhr ich nach Zara, um mich bei General der Infanterie Vare-
sanin vorzustellen. Meine Kriegseinteilung lautete damals ,,Militär-
kommandant in Zara". Da wäre ich gegebenenfalls unter das Kom-
mando dieses Generals getreten, der im Krieg das Höchstkommando
am südöstlichen Schauplatz zu führen gehabt hätte. Er empfing mich
— den Abgesandten des Kriegsministeriums— außerordentlich lie-
benswürdig, vertraute mir alle Schmerzen an und informierte mich
über seine operativen Ideen. Sie bestanden eigentlich nur in einem
frischfröhlichen Angriff aus der Richtung Nordwest, mit der Direk-
tion gegen Cetinje. Es war, als ob sich's um ein kommunikations-
reiches, gut gangbares Land handelte und nicht um Verhältnisse,
deren Schwierigkeit in Europa ihresgleichen suchen. Ein Glück, daß
dieserOperationsplannuraufdemPapier blieb. Jedenfallsführtendann
im Weltkrieg die Erfahrungen dahin, daß man es im Winter 1915/16
weniger draufgängerisch, dafür aber schlauer anfaßte. Und wenn
dabei vielleicht auch ein wenig mit
,, goldenen Kugeln" geschossen
VAOirde, kann man's nur gut heißen. Schließlich ist im ICriege nur
der Erfolg maßgebend, gleichgültig wie er erreicht ^vird.
Das Spiel der diplomatischen Minen und Gegenminen ging indessen
weiter. Die zahlreichen Berichte, die aus Serbien kamen, ließen das
konsequente Anwachsen der Agitation und Rüstungen größten Stiles
erkennen. Was da an Konfidentennachrichten, Reproduktionen amt-
licher Berichte und Verfügungen, sowie privaten Korrespondenzen
notabler Personen einlief und gut honoriert wurde, grenzte ans Er-
staunliche. Man konnte meinen, daß allem Kriegsfuror zum Trotze
der Großteil der serbischen Intelligenz aus Spionen und Hochver-
rätern bestünde, die ihr Vaterland um etliche Silberlinge verrieten.
Dies war aber nun ganz und gar nicht der P*all, denn nicht lange
darauf erwiesen sich die meisten dieser konfidentiellen Mitteüungen
als geschickt verfaßte imd teuer erkaufte Falsifikate. Daraus ergab
es sich, daß der im Spätherbst des gleichen Jahres in Wien durch-
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918