Seite - 130 - in Aus Österreichs Höhe und Niedergang - Eine Lebensschilderung
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auch diese Klippe umschiffen. Ein Vorgefühl, das durch die Tat-
sachen bestätigt wurde.
Anfangs hatte ich große Schwierigkeiten mit meiner häuslichen
Installierung. Doch nach einigen Monaten bezogen wir eine Villa,
die zwar klein, fast unansehnlich war— sie besaß vier Zimmer und
zwei Mansarden—, doch eine wundervolle Lage und einen reizenden
Garten hatte. Mit dem herrlichen Ausblick auf Sarajewo, das Mil-
jadkatal und die Berghänge, bot uns dieses kleine Heim mehr Be-
hagen als alle andern frühern und spätem Wohnsitze. Wie ja die
zwei Jahre, die wir in Sarajewo verbrachten, überhaupt zu den
glücklichsten und angenehmsten meines Lebens zählten.
In den bosnischen Bergen machte sich schon der Winter geltend.
Dennoch ermöglichten es die guten Straßen, daß ich bei den Inspi-
zierungsfahrten fast überallhin mit meinem Dienstauto gelangen
konnte. Die reizvollen Gegenden, die an die schönsten Partien Steier-
marks gemahnen, ließen mir jede solche Fahrt nicht nur militärisch
interessant, sondern wie eine Vergnügungsfahrt erscheinen. Und
auch dienstlich fühlte ich mich in meinem Element. Viele Truppen
auf erhöhten Ständen, die Ereignisse des vergangenen Winters und
Frühjahrs noch im Nachzittern. Man hatte den Eindruck, daß der
endgültige Ausbruch nicht aufgehoben, nur aufgeschoben sei. Fast
konnte man den Gemeinplatz von der ,,mit Pulverdampf geschwän-
gerten Luft" anführen. Die Unterkünfte der Truppen waren über-
dies an vielen Orten nur notdürftig, an manchen vollkommen un-
zureichend. Da hieß es schaffen und sorgen, doch wohl auch kämpfen.
Dies alles entsprach meinem Naturell.
Wenige Wochen nach meiner Ernennung zum Kommandierenden
General wurde mir die Würde eines Geheimen Rates^) verliehen, die
mir insofern überraschend kam, da sie gewöhnlich erst nach einer
längeren Amtsdauer gegeben wurde.
Fast gleichzeitig ereilte mich die Trauerkunde vom plötzlichen
Tode meines Bruders Franz, der als Chefarzt eines Schützenregiments
in der Trienter Gegend inspizierte und vom Herzschlag dahingerafft
wurde. Ich beklage den Heimgang meines lieben fröhlichen, allzeit
hilfsbereiten Bruders noch heute.
Anfang Dezember legte ich in Wien meinen Geheimen Ratseid ab,
und konnte über die Verhältnisse in Bosnien Günstiges berichten,
wenigstens insoweit es auf den Geist und die Verfassung der Truppen
Bezug nahm. Dem Kriegsminister trug ich die vielen Mängel vor,
die die Einquartierung der Truppen betrafen, und brachte zur Be-
^)
,, Geheimer Rat" bedeutete in der alten Monarchie die oberste Hofwürde,
besaß aber ansonst nur einen dekorativen Wert.
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Aus Österreichs Höhe und Niedergang
Eine Lebensschilderung
- Titel
- Aus Österreichs Höhe und Niedergang
- Untertitel
- Eine Lebensschilderung
- Autor
- Auffenberg von Komarów
- Verlag
- Drei Masken Verlag München
- Ort
- München
- Datum
- 1921
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.4 x 21.6 cm
- Seiten
- 536
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918