Seite - 124 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
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124 Peter Herde
Wie sehr der gebürtige Österreicher Chroust mittlerweile Vertreter einer eigenständi-
gen fränkischen Landesgeschichtsforschung geworden war, zeigte sich 1925 bei der Neu-
besetzung des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte und Bayerische Geschichte nach
der Emeritierung Henners. Fakultät und Senat setzten den Würzburger Archivar und
Erforscher der fränkischen Landesgeschichte Joseph Friedrich Abert auf die erste Stelle
der Vorschlagsliste, und die Begründung stammt mit Sicherheit von Chroust : Man müsse
einen Historiker gewinnen, der imstande sei, endlich im Rahmen der bayerischen Geschichte
die überaus wichtige und seit einem Jahrhundert vernachlässigte fränkische Geschichte zu be-
treiben. Es geht nicht an, die fränkische Geschichte etwa nur als eine Nebensache neben der
altbayerischen Geschichte zu behandeln ; eine Vernachlässigung der fränkischen Belange durch
die Universität könne bewirken, daß die schon sehr lebendig gewordene Frankenbewegung
in ungeeignete Hände kommt und sich dadurch sogar recht unerwünschte politische Folgen
ergeben könnten153. Berufen wurde jedoch durch politische Intervention der Zweitpla-
zierte, der, obschon bald Mitglied der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei
der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, keine eigentlichen landesgeschichtlichen
Publikationen und schon gar nicht solche zur fränkischen Geschichte aufzuweisen hatte,
der Münchner Max Buchner154.
Chroust, der in seinen Vorlesungen entsprechend der Ausrichtung seines Lehrstuhls
die Neuere Geschichte, in Seminaren aber auch die Geschichte des Mittelalters und die
Historischen Hilfswissenschaften behandelte, wurde am 1. April 1934, wie damals noch
üblich mit 70 Jahren, emeritiert. Dadurch wurde er nicht mehr in die schweren Ausei-
nandersetzungen hineingezogen, die auch die Universität Würzburg in den zwölf Jahren
der Herrschaft des Nationalsozialismus heimsuchten. Auch sonst taucht sein Name in
den Darstellungen über die deutsche Geschichtswissenschaft in der NS-Zeit kaum auf155.
Er trat lediglich dem NS-Dozentenbund bei. Seine Frau Johanna aber, die sich, wie wir
sahen, zur Aufgabe gesetzt hatte, die Deutschnationalen mit Mussolini zu versöhnen, trat
1937 der NSDAP bei ; Chrousts Sohn Hermann Anton sollte in den USA als Hochschul-
lehrer Karriere machen156.
Chrousts deutschnationale Haltung bedingte gewiss eine Teilidentifikation mit dem
Regime, der er auch gelegentlich verbal Ausdruck verlieh. Eine besondere Affinität mit
153 Akademischer Senat der Universität Würzburg an das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kul-
tus, 08.03.1926, UAWb, ARS, PA Max Buchner.
154 Ausführlich Herde, Buchner (wie Anm. 150) 201ff.
155 Vgl. die PA UAWb, ARS. Chroust wird nicht erwähnt in der ausführlichen Darstellung der Verhältnisse an
der Universität Würzburg nach 1933 im materialreichen Werk von Helmut Heiber, Universität unterm
Hakenkreuz 2 : Die Kapitulation der Hohen Schulen 1 : Das Jahr 1933 und seine Themen (München u.a.
1992) 175ff.; vgl. auch Schäfer, Freunde (wie Anm. 139) 316ff.
156 Siehe oben Anm. 16, und Schäfer, Freunde (wie Anm. 139) 317.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien