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130 Klaus Wachtel
2,3, die der Dichter an Dellius gerichtet hat, einen Römer senatorischen Standes, der am
Ende der Republik und unter Kaiser Augustus gelebt hat. Man kann sich gut vorstellen,
dass Stein diese Worte des römischen Dichters an seinen Freund Edmund Groag gerichtet
haben könnte, seinen wissenschaftlichen Weggefährten, den ein ähnlich hartes Schicksal
wie ihn selbst getroffen hat. Beide verband eine gleiche Herkunft, gleiche wissenschaftliche
Interessen und das gemeinsame wissenschaftliche Hauptwerk. Der Herausgeber dieses Ban-
des hat deshalb dankenswerterweise dem Vorschlag des Autors zugestimmt, diese Darstel-
lung als ein Doppelporträt der beiden altösterreichisch-jüdischen Althistoriker abzufassen3.
2. Vorfahren und Verwandtschaft
Arthur Stein wurde am 10. Juni 1871 in Wien geboren4. Seine Eltern stammen aus Böh-
men : Leopold Stein, der Vater, kam am 12. Februar 1830 in Schönhof (Krásný Dvůr)
auf die Welt, während die Mutter Karoline Pfau am 10. Dezember 1838 in Zbraslawitz
(Zbraslavice) südlich von Kuttenberg (Kutná Hora) geboren wurde5. Sie wurden 1860 in
der Pinkas-Synagoge in Prag getraut6, haben sich also vermutlich in Prag kennengelernt.
Zwischen der Heirat und dem Jahr 1865, als die Mutter ein Dienstleistungsvermittlungs-
oder Gouvernanten-Institut in Wien gründete, sind Steins Eltern dorthin verzogen7. In
den Jahren vor seinem Tod war Leopold Stein als „Lederagent“, also als Vertreter für Le-
derwaren tätig8. Er starb am 23. August 1892, seine Frau am 26. November 1907, und
3 Leben und Werk der beiden Gelehrten sind bisher kaum gewürdigt worden : veröffentlichte Nachrufe für
Groag fehlen ganz, zu ihm siehe zuletzt Fritz Fellner, Doris A. Corradini, Österreichische Geschichts-
wissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon (VKGÖ 99, Wien 2006) 152,
und mit ausführlichem Stemma Klaus WACHTEL, Prof. Dr. Edmund Groag (1873–1945). Zu den Vorfahren
dieses jüdisch-österreichischen Althistorikers, in : Tyche 25 (2010) 173–183. Zu Stein existieren nur kurze
Würdigungen von Karel Beranek (Eunomia 1 = Listy filologické 5 [1957] Suppl. 81–83), Victor Ehren-
berg (Historia 1 [1950] 513f.) und Artur Betz (Anzeiger für die Altertumswissenschaft 4 [1951] 193f.).
4 Laut Geburtsurkunde (Abschrift im Archiv des Jüdischen Museums Prag).
5 Diese Geburtsorte und -daten nach Auskunft der Magistratsabteilung 61 Wien. Nach dem Grabstein (siehe
Anm. 9) ist der Vater allerdings am 5. Februar 1830 geboren, während die Mutter am 26. November 1907 im
72. Lebensjahr starb, demnach also 1835 geboren wurde.
6 Trauungsmatrikel Bd. 1857−1864/5 im NA.
7 Im Wiener Adressbuch 1925,2 681, steht : „Gouvernanten-Institut Stein, Wollzeile 24. Erstrangiges größ-
tes Placierungsinstitut im Lehr- und Erziehungsfach. Gegründet 1865.“ Die Jahrgänge 1871 bis 1879 von
„Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die k.k. Reichs-
Haupt- und Residenzstadt Wien“ geben als Adresse die Singerstraße 3 an. Gemäß der Jahrgänge 1872 bis
1875 war Leopold Stein als Baumwollhändler tätig.
8 Siehe Lehmanns Wohnungsanzeiger für 1887 bis 1892 und das Beerdigungsregister der Israelitischen Kultus-
gemeinde (= IKG) Wien.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien