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Martin Wutte (1876–1948) 213
möglicherweise der Spiritus Rector für den Titel von Wuttes Schlüsselwerk „Kärntens
Freiheitskampf“.
Selbst definiert Wutte sein dreijähriges Schüler-Dasein im fürstbischöflichen Knaben-
seminar in Klagenfurt54 als eine Zeit, die in ihm einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen
hat. Davon erfährt eine größere Öffentlichkeit allerdings erst 198855. Eine breitere Er-
örterung zum angeführten Problemfeld Priestermangel unterbleibt. Das aus dem Rück-
blick gespeiste Resümee des 71-jährigen, der über den Mangel an „deutschen Priestern“
lamentiert, streift an ein Thema, das in Kärnten noch heute präsent ist. Demnach haben
nationalslowenische Geistliche die Bevölkerung slawisiert, „gar oft und immer wieder“
gegen die Wünsche der Bevölkerung gehandelt und versucht, „in ihrem Wirkungskreise
mit aller Macht ‚ein Königreich Slowenien‘ in Kärnten aufzurichten …“56. Auch wenn für
diese Argumentation tatsächlich zahlreiche Belege nachweisbar sind, ist eine flächende-
54 Siehe dazu : Johann Unterluggauer, Bischof „Deo Gratias“. Kahns Leben und Werk (Klagenfurt 1952).
Zur Baugeschichte dieses Internats und späteren Priesterseminars und die damit eng verbundene religions-
und nationalpolitische Frage, die in der jüngeren Kärntner Landesgeschichte eine wesentliche Rolle spielte,
bes. 54–66.
55 Wutte, Lebenslauf 1988 (wie Anm. 38) 14f.: „Im Marianum lernte ich eine neue Seite des Lebens kennen :
die nationale. Es kam dort zu heftigen Streitigkeiten zwischen den deutschen und slowenischen Zöglingen, an
denen ich mich lebhaft beteiligte. Sie riefen in mir ein lebhaftes Nationalgefühl hervor und hatten daher für
meine weiteren Lebensanschauungen tiefgreifende Folgen. Wir wurden gezwungen, bei einem slowenischen
Heißsporn slowenische Sprachkurse zu besuchen. Sie hatten den Zweck, künftigen deutschen Priestern die
Kenntnis der slowenischen Sprache zu vermitteln, damit sie später in gemischtsprachigen Pfarren verwendet
werden könnten. Doch fehlte uns deutschen Zöglingen das Verständnis für die Wichtigkeit deutscher Priester
in gemischtsprachigen Pfarren, die damals, auch solche mit überwiegend deutscher Bevölkerung, fast durchaus
mit slowenischen Geistlichen besetzt waren. Der Leiter des Kurses hatte wenig Interesse, uns die slowenische
Sprache beizubringen, und bestärkte eher unsere Abneigung. So blieb mir die slowenische Sprache verschlossen,
was ich später lebhaft bedauerte.“
56 Beispielsweise dazu : Viktor Miltschinsky, Kärntens hundertjähriger Grenzlandkampf. Eine zusammenfas-
sende Darstellung (Wien 1937) 50f. Miltschinsky, einer der führenden Repräsentanten innerhalb des deutsch-
nationalen Lagers in Kärnten vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Wutte (ebd. 8, Hervorhebung nach
Vorlage) : „Wer immer nun aber eine Arbeit über Kärnten unternimmt, der kann an den grundlegenden grö-
ßeren und kleineren Werken des Kärntner Historikers und Gelehrten Dr. Martin Wutte nicht vorbei, und so
ergab sich zwangsläufig die Notwendigkeit, Hofrat Dr. Wutte um seine Unterstützung zu bitten. Wie immer,
wenn es gilt, der Kärntner Heimat und dem deutschen Volke zu dienen, hat er auch diesmal seine Mithilfe
nicht versagt und durch wertvolle Winke und Ratschläge, sowie auch durch freundliche Überlassung von
Material unsere Schrift gefördert.“ Ferner zu Miltschinsky : ders., Kärnten – Ein Jahrhundert Grenzland-
schicksal (Eckart-Schriften 2, Wien 1959), und ders., Kärntner Treue. Ein vaterländisches Bühnenspiel in
drei Teilen (sechs Bildern) (Eckart-Schriften 22 A, Wien 1967). 1930 vom Autor verfasst, wurde das Drama
1931 am Wiener Burgtheater uraufgeführt. Erwähnenswert ist, dass Miltschinsky einem Hauptdarsteller die
Aufgabe zuteilt, auf die besondere Bedeutung der italienischen Politik für die „Kärntner Frage“ hinzuweisen.
Dieses Forschungsfeld ist von der Geschichtsschreibung bis heute äußerst stiefmütterlich behandelt worden.
Vgl. ebd. Vorwort, 2 und 9f.
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien