Seite - 281 - in Österreichische Historiker - Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Bild der Seite - 281 -
Text der Seite - 281 -
Heinrich (Ritter von) Srbik (1878–1951) 281
Nationalsozialismus ganz instinktiv als abstoßend emp-
fanden, was auf Srbik nun gewiss nicht zutrifft. Srbik
war auch weiterhin offenbar aktives Mitglied einer proto-
nazistischen Burschenschaft ; aber es stimmt, dass der
„Metternich“ nicht im Mindesten den (Un-)Geist des
Schönerer’schen Habsburg-Kannibalismus atmet und
auch nicht von einem Sozialdemokraten (oder Liberalen)
verfasst zu sein scheint. Ein Grund für diesen Stimmungs-
wechsel war wohl, dass dem Bürgertum nach immensen
Vermögensverlusten durch eine gigantische Inflation und
angesichts einer weiter bestehenden realen Gefahr verfas-
sungskonformer Ermöglichung einer „Diktatur des Prole-
tariats“ an der Wahlurne109 die k. u. k. Monarchie nun
in der Tat geradeso wie dem höheren Adel als verlorenes
Paradies erscheinen musste. Auch hatte sich Srbiks Hoffnung auf Heilande aus den Häu-
sern der Wittelsbacher und Hohenzollern mittlerweile als trügerisch erwiesen – und als
österreichischer Bundeskanzler fungierte mittlerweile kein Otto Bauer und kein Julius
Deutsch, sondern der „Prälat ohne Gnade“ Ignaz Seipel. Zusätzlich dürfte Srbik bald
– wohl spätestens mit seiner Ernennung zum Professor – zur Auffassung gelangt sein,
dass Obrigkeiten grundsätzlich größter Respekt entgegenzubringen sei110. Im Übrigen
ist der „Metternich“ doch von einem strikt deutschnationalistischen und nicht etwa von
einem legitimistischen Standpunkt aus geschrieben111. So mag man denn den Verfasser
des „Metternich“ nicht als Konservativen, sondern vielmehr als einen im Kern opportu-
nistischen Schönerianer mugged by reality betrachten.
1925 wurde dann auch gleich zum Jahr des glanzvollen Schlagers einer Doppelberufung112,
als die Universitäten Bonn und Köln gleichzeitig bei ihm vorfühlten, hier in Bezug auf die
Nationalsozialismus siehe aber nun Sven-Uwe Schmitz, Konservativismus (Elemente der Politik, Wiesba-
den 2009) 118–126.
109 Vgl. Srbik, Metternich 2 (wie Anm. 4) 567f. „Einstweilen gewinnt es oft den Anschein, daß der tote Staats-
mann einen scharfen Blick in die Zukunft warf, wenn er lehrte, daß die ungebundene Freiheit zur Despotie
der stärksten Partei führe.“
110 Solcher Respekt auch vor der Obersten Obrigkeit hat den nicht praktizierenden, laut Selbsteinschätzung
bloß romantische[n} Katholik[en] (General im Zwielicht 1 [wie Anm. 15] 548) dann auch in der NS-Zeit vor
einem Kirchenaustritt bewahrt.
111 Man vergleiche Srbiks Bekenntnis von Ende 1919 in Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 83 : ich war und bin
immer ein Feind der Klerikalen und war nie ein Freund der Habsburger.
112 So Willy Andreas anerkennend, in : Srbik, Korrespondenz (Bibl.) Nr. 149. Abb. 22 : Heinrich von Srbik um
1927
Österreichische Historiker
Lebensläufe und Karrieren 1900–1945, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Österreichische Historiker
- Untertitel
- Lebensläufe und Karrieren 1900–1945
- Band
- 2
- Autor
- Karel Hruza
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78764-8
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 678
- Schlagwörter
- Lebensläufe, Werke und gesellschaftliches Wirken österreichischer Historikerinnen und Historiker, Geschichtsforschung
- Kategorie
- Biographien