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mittellos ins Land kamen. Dem Redakteur der „Stimme“ zufolge müsste man dem
Palästina-Amt für die Erstellung der Statistik vor allem deshalb dankbar sein, weil
die nüchternen Ziffern „für die zionistische Aufbauarbeit und gegen die sterile und
bösartige Kritik der Assimilation“ sprechen würden.262
Wie aus der Fülle an dargelegten Zahlen hervorgeht, erscheint es zusammenfas-
send wenig sinnvoll, eine Gesamtzahl zur Einwanderung österreichischer Jüdinnen
und Juden (nicht nur) während der Fünften Alijah präsentieren zu wollen. Neben
der grundlegenden Quellenproblematik erweisen sich die Statistiken als Konglome-
rat unterschiedlicher Kriterien und Kategorien und die Daten mitunter als unvoll-
ständig und undurchsichtig. Zumindest liefern die verschiedenen Quellen jedoch
Anhaltspunkte, lassen eine Einordnung in die gesamte Alijah zu und ermöglichen
Vergleiche mit anderen Herkunftsländern.
Palästina in den 1930er Jahren
„Wer heute nach Israel reist, vermag sich nicht vorzustellen, wie karg die
Bevölkerung in Palästina damals lebte. ‚Zena‘, Bescheidenheit, war eine von
den Umständen erzwungene, im Laufe der Zeit aber auch zu einer Tugend
stilisierte Notwendigkeit. Längst ist sie einer erschreckenden Geldgier ge-
wichen. Trotz moderner Städte wie Tel Aviv und Haifa und der Errichtung
zahlreicher Kibbuzim war das Land noch sehr arm und unterentwickelt. Der
Unterschied zu Mitteleuropa, in dem wir aufgewachsen waren, hätte kaum
größer sein können: Schmale staubige Straßen führten durch armselige Vor-
orte, in denen Arbeiter noch in Blech- und Holzhütten wohnten. Kleine,
neue jüdische Siedlungen grenzten an Dörfer von Arabern und Beduinen.
Die Briten kümmerten sich wenig um die Modernisierung der Landwirt-
schaft und um die Errichtung von Industrien. Viele Teile des Landes mussten
noch trockengelegt, weite Flächen des künftigen Ackerlandes mühsam von
Steinen befreit werden. Zwar meisterten viele der Neuankömmlinge diese
Herausforderungen mit eisernem Willen, andere aber erkrankten an Gelb-
sucht und Malaria. […].“263
Die mannigfaltigen Schwierigkeiten, die mit der Emigration im Allgemeinen und
speziell mit der Niederlassung in ein klimatisch und kulturell völlig unterschied-
liches, sich außerdem erst entwickelndes Land verbunden waren, im Hinterkopf
habend, stellte sich die Situation in Palästina für die Einwanderinnen und Ein-
wanderer der 1930er Jahre dennoch anders als für ihre Vorgänger dar – fanden
sie doch Gegebenheiten vor, die die Immigrantinnen und Immigranten früherer
Alijoth durch ihre eigene (Pionier-)Arbeit hatten schaffen mussten oder die indirekt
erst durch diese entstanden waren. Zivilisatorische Fortschritte waren vor allem im
262 Die Stimme, Jänner 1936. CAHJP, A/W 2603,16.
263 Ari Rath, Ari heißt Löwe. Erinnerungen, Wien 2012, S. 53.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918