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besondere behördliche Bewilligung in das Deutsche Reich nicht zurückzukehren“,
konnte danach um Reisepapiere angesucht werden. Genaue Vorschriften über die
Mitnahme von Werten, die unter die Devisenordnung fielen, gab es zu diesem
Zeitpunkt noch nicht. Die im Mai 1938 in Wien eingerichtete Devisenstelle der
Reichsbank entschied jeweils im Einzelfall.380
Angesichts des komplizierten Vorgangs waren bereits vor dem „Anschluss“ von
verschiedenen Seiten Ideen zur Vereinfachung der jüdischen Auswanderung formu-
liert worden. Befürworter fanden sich auch in jüdischen Organisationen. Berthold
Storfer etwa sprach sich für die Etablierung einer zentralisierten Auswanderungs-
organisation aus, die die Ausreise von Jüdinnen und Juden erleichtern sollte. Ein
höchstwahrscheinlich im Auftrag Eichmanns ausgearbeitetes Aktionsprogramm
einer zu gründenden „Zentralstelle für die Auswanderung der Juden in Österreich“
wurde schließlich Mitte 1938 von Löwenherz und Rothenberg vorgelegt. Gemäß
dem Entwurf bräuchte es eine Institution, die sich der Vorbereitung und Durch-
führung der Ausreise in alle Länder außer Palästina widmen würde, da bislang
lediglich die Auswanderung in dieses Land in organisierter Form erfolgt wäre und
die Palästina-Wanderung nicht imstande wäre, den gesamten Auswandererstrom
aufzunehmen. Als wichtigste Arbeitsziele wurden die Registrierung, Informierung
und Betreuung der Wanderungswilligen definiert; konkret ging es um die Samm-
lung und Bereitstellung von Informationen über potentielle Zielländer (Gesetze,
Lebensbedingungen, Berufsaussichten, Klima etc.) und über pass-, devisen- und
vermögensrechtliche Bestimmungen, darüber hinaus sollte die Kontaktaufnahme
zu verschiedenen ausländischen Hilfsorganisationen erleichtert werden.381 Gabri-
ele Anderl hält fest, dass ein Teil dieser Aufgaben ohnehin bereits von der Kul-
tusgemeinde wahrgenommen worden war und dass man der später gegründeten
„Zentralstelle“ wohl kaum beratende oder unterstützende Funktionen zusprechen
könne.382 Auch wenn Planung und Aufbau der „Zentralstelle“ nicht im Detail
nachvollzogen werden können, so sind vermutlich einige Überlegungen des oben
beschriebenen „Aktionsprogramms“ in den „Bürckel-Erlass“383 vom 20. August
1938, in dem die Gründung der Stelle bekannt gegeben wurde, eingeflossen. Da sich
bei der jüdischen Emigration „unliebsame Störungen und Verzögerungen ergeben“
hätten und einzelne Dienststellen diesbezüglich „unzweckmäßig“ agieren würden,
ordnete der „Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem
Deutschen Reich“, Gauleiter Josef Bürckel, „zur Förderung und beschleunigten
Regelung der Auswanderung der Juden“ die Errichtung der „Zentralstelle für jüdi-
sche Auswanderung“ in Wien (IV. Bezirk, Prinz-Eugen-Straße 22), im ehemaligen
Rothschild-Palais, an. Im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen sollten
380 Nach Anderl/Rupnow, Zentralstelle, S. 67–73. Zu den Aufgaben der von Carlheinz Raffegerst gelei-
teten Auswanderungsabteilung der Devisenstelle zählten die Bewilligung des jüdischen Umzugs-
guts und die Zuteilung von für die Emigration benötigten Devisen. Die in der IKG eingerichtete
Devisenabteilung übernahm vorbereitende Tätigkeiten für die Devisenstelle.
381 Entwurf des Aktionsprogramms einer zu gründenden „Zentralstelle für die Auswanderung der
Juden Österreichs.“ YVA, O-30/69. Vgl. Rosenkranz, Verfolgung, S. 121 f.
382 Anderl/Rupnow, Zentralstelle, S. 189.
383 Abgedruckt bei Rosenkranz, Verfolgung, S. 122 f. Siehe dazu Anderl/Rupnow, Zentralstelle, S. 113.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918