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476 Ungarischer Reichstag.
zelnen Bürger wider den Edelmann vor Gericht vertreten. Kraft des
20. Artikels von dem eben gedachten Jahre kann nun jeder einzelne Bür-
ger und jeder freye Mensch, der keiner herrschaftlichen Gerichtsbarkeit
unterliegt, in seinem eigenen Nahmen wider den Adeligen Proceß füh-
ren. Der unterthänige Bauer hingegen hat das sogenannte ju5 actora»
w5 wider den Edelmann nur in Contractual-Angelegenheiten; in allen
ü-ri^en Fallen aber vertritt ihn sein Grundherr. Wer sich an der Per-
son eines Edelmannes, oder an dessen Hof (ouria) vergreift, muß für
<eine Verwegenheit entweder mit dem Leben (was jedoch in unsern
Zeiten nicht mehr geschieht), oder mit dem Verluste seines Vermo.
gcns büßen. Ehedem verlor der Unglückliche Leben und Gut zugleich.
3) s)i'.lr der Adel allein ist des eigentlichen Besitzes liegender Güter
(jl,8 tkl-t-estl-alo) und der Herrschaft (zu5 Nominale) über die darauf
wohnenden Unterthanen fähig. Kein Unadeliger also gelangt in Ungarn
zum eigentlichen Besitze eines Landgutes, ausgenommen durch eine kö»
mgliche Verleihung eines liegenden Gutes (6nn»tia), wodurch er so,
gleich auch geadelt, oder wenn er nach erhaltenem Briefadel (ai-mglez)
ein Gut von einem Privaten auf eine rechtsbestandige Weise kauft. Der
llnterthan kann daher, als solcher, eigenthümlich nichts Unbewegliches
besitzen, der Grund und Boden , den er pftügr, gehört seinem Grund«
Herrn, nur die Früchte seines Fleißes sind sein, und selbst dafür ist der
Grundherr befugt, von seinem Unterthan Robothen, oder Frohndien-
ste und Abgaben zu fordern. Außerdem übt er über denselben die Patri«
monial- oder Erbgerichrsbarkeit in Civilsachen aus, und ist dessen letzter
Erbe. Manche Edelleute besitzen kraft eines besondern känigl. Privile-
giums auch die Criminal-Gerichtsbarkeit. 4) Der ungarische Edelmann
genießt der ausgedehntesten Freyheit in Ansehung der Staatsabga^en,
einer Freyt-eit, wovon die neuere Staatengeschichte kein ahnliches Bey-
spiel aufzuweisen vermag. Er ist nicht nur von allen Personalabgaben,'
sondern auch von jeder anderen Art öffentlicher Austagen, sie mögen un«
ter was immer für einer Benennung vorkommen, so wie von allen
Mauth- und Dreysiigstgefällen, so weit die Landesgranzen reichen, frey.
Nur wenn er mit Wein oder andern Naturalien Handel treibt, unter-
liegt er der Dreysiigstabgabe. Uberdieß entrichtet er keinen Zehent, und
sein Edelsitz ist von aller Soldateneinquartierung frey. Tragt er ja etwas zu
außerordentlichen Staatsbedürfnissen bey, so gibt er es frey^villig oder
auf einem Reichstage; nur zu insurgiren, d. i. Kriegsdienste zu thun,
so oft der König und das Vaterland es fordern, ist er schuldig. Nur
wäre zu wünschen, daß der Adel in dieser Hinsicht in einen solchen fort-
dauernden Stand sich setzte, der es ihm möglich machte, beym Ein«
tritte der Vertheidiqungsnothwendigkeit, seiner Insurrectionspflicht auf
eine der Würde der Nation, und dem Wohl des Staates vollkommen ent-
sprechende Art genug zu thun. Wird dieß nicht befolgt, was kann das mit
Gefahr bedrohte Vaterland von einer nichtgehörig bewaffneten, nur in der.
Eile zusammengebrachten, den Waffen ganz entwöhnten, und der jetzigen
raschen Art Krieg zuführen unkundigen Insurrection erwarten? Zugleich
scheint das veraltete Gesetz, welches die Insurrectionalmiliz bey sich
n^erndcr Gefahr nur bis an die Gränzen des Reiches vorrücken lasu,
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie