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zu flüchten, da dieser eine bedeutende Belagerung, und was sich bey
dem schlechten Zustande der Festungswerke leicht vermuthen ließ, auch
eine gänzliche Zerstörung bevorstand. Eine 6 Fuß dicke Mauer, ein
trockener Graben, und einige alte Thorthürme waren die ganze Befesti-
gung. Es wurden daher die der Mauer zu nahe gelegenen Häuser in
Eile abgebrochen, Erdschanzen mit Pallisaden aufgeworfen, die Hölzer-
nen Dächer abgetragen, das Pflaster aufgerissen, die Stadt mit Lebens-
mitteln versehen, und alle Vorstädte, die damahls aus vielen Kirchen
und etwa 800 Häusern bestanden, abgebrannt. Die Besatzung, sammt
den wehrhaften Bürgern, belief sich damahls auf höchstens 20,000
Mann. Am 25. Sept. 1529 wurde mm W. von dem türkischen Heere
schon wirklich eingeschlossen. Die Operationen der Feinde gegen die Stadt
bestanden vorzüglich in Anlegung von Minen, bey deren Sprengung
sie sogleich Sturm liefen; allein alle diese Angriffe wurden durch
die tapfere Gegenwehr der Belagerten immer fruchtlos gemacht.
Durch mehrere mißlungene Stürme bewogen, hob nun So l im an die
Belagerung wieder auf, machte seine Vorbereitung zum Abzüge, und
ließ die große Anzahl der Gefangenen, welche von den streifenden Hor-
den der Tataren weit und breit umher zusammengetrieben wurden, ohne
Unterschied des Standes, Alters und Geschlechts in seiner Gegenwart
grausam niedermetzeln. Nach dieser schrecklichen Scene wurden alle
Stücke und Gewehre noch einmahl gegen die Stadt losgebrannt, und
dann in der Nacht das Lager, und was bisher in den umliegenden Ortern
der Wuth des Feuers.noch entgangen war/ in Brand gesteckt, worauf
sich die gesammte türkische Armee in Abmarsch setzte. Nachdem nun
die Stadt von allen Feinden wieder befreyt war, wurden die ruininen
Mauern und Häuser neuerdings hergestellt, auch alle möglichen Mittel
getroffen, um die Stadt weit besser als bisher zu befestigen. Der Bau
der Festungswerke war indessen imermüdet fortgesetzt, bis durch die 1541
ausgebrochene Pest, welche den dritten Theil der Einwohner hinweg-
raffle, die Arbeiten auf einige Zeit eingestellt wurden. Allein, da die-
ses schreckliche Übel bald nachgelassen hatte, wurde die Befestigung der
Stadt durch Anlegung regelmäßiger Basseyen und anderer Außen-
werke, dann durch eine bedeutende Erweiterung des Wallgrabens so-
gleich wieder fortgesetzt. Die Stadt W. nahm damahls innerhalb der
Ringmauern schon denselben Umfang ein, den sie noch heut zu Tage
zwischen den Festungswerken hat; nur waren einzelne Gegenstände an-
ders gestaltet als jetzt, und hatten auch andere Benennungen. Sämmt-
liche Ringmauen waren damahls noch durchgehends mit Schießscharten
versehen. Die Werke, die nach dem H i rschv og e l'schen Plane ausge-
führt wurden, waren: I) Die Iacoberbastey, auf welcher der fürstl.
Kohary'sche Palast erbaut worden ist. 2) Die Predigerbastey (der
Dominicanerorden hieß damahls Predigerorden). 3) Die Biberbastey,
von dem dicht daranstehenden Biberthurme so genannt, welcher aber in
spätern Zeiten abgebrochen wurde. 4) Der rothe Thurm oder vielmehr
Rottenthurm, welcher seinen Nahmen von den sich hier versammelnden
Bürgerrotten (Compagnien) ercielt. 5) Das Salzthor, heut zu Ta-^ e
wegen dem daranstoßenden Fischmarkte, welcher sich früher auf dem
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe W-Z, Band 6
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe W-Z
- Band
- 6
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 668
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie