Seite - 53 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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3. HERAUSBILDUNG VON KUNSTKENNERSCHAFT IN DER JUGEND 53
in seinem Konzept für den Unterricht vorsah, begleitend zu unterstützen. So
empfahl er unter anderem, die „Tables chronologiques de l‘histoire univer-
selle“ (1729) des französischen Historikers Nicolas Lenglet Du Fresnoy, Zeit-
tafeln von Königshäusern und Päpsten seit der Antike, für die Erzherzoge
abschreiben zu lassen. Durch die begleitende Betrachtung von gestochenen
Regentenfolgen konnte man den Lauf der Geschichte einprägsamer nach-
vollziehen. Die bildlichen Vergleiche konnten zudem Zusammenhänge sicht-
bar machen, die in der Lektüre verborgen blieben, seien es etwa Attribute
und Beigaben, Ordenszugehörigkeiten oder historische Trachten.
Zweifelsohne war diese Art der Herangehensweise von Einfluss auf den
späteren Sammler von Porträtstichen. Mag zwar dessen alleiniges Motiv für
die Anlage einer Porträtsammlung nicht die Erweiterung der eigenen ge-
schichtlichen Kenntnisse gewesen sein, so spiegelt sich doch vielmehr ein
Bedürfnis, die „Helden der Weltgeschichte von Angesicht zu Angesicht ken-
nen zu lernen“, wie es Siegfried H. Steinberg in seinem Aufsatz zum „Porträt
als historische Quelle“ formuliert, in seinen frühen Erwerbungen deutlich
wider.149
Ein weiteres Indiz für eine mittelbare Auswirkung des Geschichtsun-
terrichts auf das spätere systematische Profil der Sammlung liefern die
Übungshefte aus dem Geografie- und Geschichtsunterricht dieser Jahre, die
sich in Form von achtzehn gebundenen Quart- und Foliobänden in der ehe-
maligen kaiserlichen Privatbibliothek erhalten haben.150
Die Hefte, die etwa in die Jahre 1779 bis 1783 zu datieren sind, enthalten
eigenhändige Aufzeichnungen des Schülers zum Unterrichtsstoff, teilweise
auf mehr als hundert Seiten langen Abhandlungen zur Geschichte und Geo-
grafie einzelner Staaten, die zu einem großen Teil zeitgenössischen histori-
schen Werken entnommen sind.151 Behandelt werden darin die Königreiche
England, Schottland und Irland, Frankreich, Spanien, Portugal und Sizilien
sowie die Herzogtümer Lothringen, Savoyen, Piemont, Parma, Piacenza oder
Modena.
Zunächst folgen allgemeine Beschreibungen der Länder („Vom König-
reich überhaupt“), ihrer Geografie, Bevölkerung, der wichtigsten Städte, der
Wirtschaft und der gegenwärtigen politischen Verfassung. Danach folgt eine
chronologische Darstellung der Geschichte des jeweiligen Landes, schließ-
149 Steinberg (1933), S. IV.
150 Die Hefte wurden 1924 an die Handschriftensammlung der ÖNB abgegeben. ÖNB, HAD,
Cod. Ser. n. 12123 bis Cod. Ser. n. 12140.
151 Als Vorlage zu den Abhandlungen werden etwa Claude-François-Xavier Millots „Éle-
ments de l‘histoire d‘Angleterre […]“ (1769) oder Nicolas-Gabriel Clercs „Histoire phy-
sique, morale, civile et politique de la Russie ancienne et moderne […]“ (1783 ff.) ange-
führt.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur