Seite - 5 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
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– Museen, die das ‚Europäischsein‘des jeweiligen Landes dadurch unter Be-
weis stellenwollen,dasssievon ‚westlichen‘Holocaustmuseenausgehende
Musealisierungstrends übernehmen – dunkle Ausstellungsräume, die erst-
malige individualisierende Darstellung vonHolocaust-Opfern, die Inklusion
derRoma-OpferunddieAuseinandersetzungmiteigenerVerantwortungund
Kollaboration;
– Museen, die von ‚Europa‘ forderten, ‚unser‘ Leiden unter dem Stalinismus
bzw. ‚Kommunismus‘ anzuerkennen und bestrebt waren, die Erinnerung an
dienationalsozialistischeBesatzungunddenHolocaust ‚einzudämmen‘,damit
siedie ‚eigene‘Opfererzählungnichtüberschreiben.
Ichwerdefernerzeigen,wiesichdieseTypologiederMuseenindenletztenJah-
ren durch neue Dauerausstellungen undMuseumsumbenennungen insbeson-
dere indenbaltischenLändernveränderthat.
Die systematischeAnalyseder zehnMuseenbezieht selbstredenddenKon-
text der jeweiligen nationalen Geschichtspolitik undMuseumslandschaft ein.
DieseKontextualisierungschließt ‚Partikular‘museenwie jüdischeMuseenund
Gegenerzählungen zumdominanten Geschichtsnarrativ ein und trägt den un-
terschiedlichen historischen Kontexten und geschichtspolitischen Traditionen
derLändersosorgfältigwiemöglichRechnung.5Dieheutigenpostsozialistischen
EU-Mitgliedstaaten unterscheiden sich in ihremUmgangmit derVergangenheit
wesentlichdarin,welchevergangeneEpochesieals ‚goldeneÄra‘nationalerUn-
abhängigkeitbegreifen. (Cornelißen2006,48;Troebst2006)Dabei istTschechien
daseinzigeLand,das sichauf eineungebrochendemokratischeTradition inder
Zwischenkriegszeit bezieht.6 In der Slowakei wie in Kroatienwar hingegen vor
alleminden1990er JahrendieTendenzausgeprägt,dieeinzigePhaseder (wenn
auch eingeschränkten) Eigenstaatlichkeit, den jeweiligen NS-Satellitenstaat als
‚Meilenstein‘ auf demWeg zur nationalen Unabhängigkeit anzusehen. Welche
5 Die Geschichtspolitik Kroatiens und Ex-Jugoslawiens war Gegenstand meiner Dissertation.
(Radonić 2010)Bei allenanderenLändernwirdmeineExpertiseniemalsan jenevonLänderex-
pertInnen heranreichen. Das daraus resultierende Risiko dehistorisierter Generalisierungen
wurdeminimiertdurchdenAustauschmitebendiesenLänderspezialistInnenunddiesorgfältige
Studie ihrerbereitsvorliegendenForschungzudenMuseen,dieMöglichkeit,Recherchen inden
vonmir nicht beherrschten Sprachen vonmuttersprachlichen AssistentInnen durchführen zu
lassen und die stetige Beschäftigung mit der Demokratieentwicklung und Geschichtspolitik
jenerLänder inmeinenLehrveranstaltungenzusammenmitStudierendenausderRegion.
6 Dies änderte sich erst nach der Annexion des Sudetenlandes durch das ‚Dritte Reich‘ am
1.Oktober1938undderZerschlagungderTschechoslowakei imMärz1939,alsauchinPragdie
Demokratieausgesetztwurde. 1 Einleitung 5
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918