Seite - 60 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
Bild der Seite - 60 -
Text der Seite - 60 -
ermordetworden, eineheutenichtmehrhaltbareZahl,45 aberbeachtlich ist die
mehrfacheNennungdieser inAusstellungenvielerMuseenauchnach1989mar-
ginalisiertenOpfergruppe.
DieUstašawerden indenGuidesalsTäterbenannt,dochwar imGuideaus
1974 auch die Bemühung zu erkennen, ihre Verbrechen stark im Kontext der
NS-Verbrechenzuverorten.„ObwohldieoffizielleBefehlsgewalt inden Jaseno-
vac-Lagern indenHändenderUstaša lag,warendortabsolutundübergeordnet
diedeutsch-faschistischen Interessenzugegen.“ (Trivunčić 1974, 30)Als ‚Beleg‘
wurde jedoch eineVerordnungüber die StationierungderUstaša-Verbände zi-
tiert, diemit Jasenovacnichts zu tunhat. Es folgtedieFeststellung, dass in Ja-
senovac zehn deutscheMilitärangehörige zugegenwaren, um „ausschließlich
dieSicherheitsinteressendesDrittenReicheszuwahren.“ (Trivunčić1974,32)
In Jugoslawien herrschte im ZweitenWeltkrieg–wie auch in der Slowakei
währenddesAufstands–Bürgerkrieg.AuchimslowakischenFallgibtesmitder
Benennung nicht nur von „Hitlers Deutschland“ und der „deutschen Armee“,
sondern auch des „slowakischen faschistischen Staats“ (MúzeumSNP 1977, 5),
derHlinka-Garde unddesHeimatschutzes (MúzeumSNP 1985, 60) als Täter im
antifaschistischen Narrativ keine Probleme. Doch weder der slowakische Auf-
standnochder jugoslawischePartisanInnenkampf konnten als Bürgerkrieg ver-
handeltwerden. Die Bevölkerung, das „ganze slowakischeVolk“ (MúzeumSNP
1977,6),wurdekollektivdemWiderstandzugerechnet.UndauchderaufdemGe-
biet Jugoslawiens tobende Kampf zwischen Ustaša, serbisch-monarchistischen
Četnici und Tito-PartisanInnenmit wechselnden Fronten, der von allen Seiten,
wennauch inunterschiedlichemAusmaß,aufdemRückenderZivilbevölkerung
ausgetragenwurde,wird nicht thematisiert. „Dadie bewaffnete Revolution von
Anfanganüberdie rückhaltloseUnterstützungunseres ganzenVolkes verfügte,
ließen die Faschisten und die einheimischen Quislinge ihreWut vor allem an
demunbewaffnetenTeilunseresVolkesaus,“heißtes imJasenovac-Guide. (Lon-
čar1977,7)
Wie schon im slowakischenFall beschrieben, stehen auch inden Jasenovac-
Publikationendasübergeordnete ideologischeKonzeptunddieBeschreibungder
Ereignisse in situ in einemSpannungsverhältnis zueinander. Die Publikation
10 Jahre Gedenkstätte Jasenovac beginnt ebenfalls stark ideologisch aufgela-
den,mit einer sogar fürdenTito-KultübertriebenwirkendenHuldigungTitos,
45 DieGedenkstätte hat bisher über 16.000 ermordete Romanamentlich identifiziert (www.
jusp-jasenovac.hr/Default.aspx?sid=6711), dieOpferzahl ist also ‚nur‘ zweieinhalbfacherhöht,
währendunterdenangeblichen700.000 Jasenovac-Opfern–die Zahlwird imGuideaus 1981
auf den ersten zwei Seiten gleich fünfmal genannt (Jokić 1981)– 500.000 serbischeOpfer be-
hauptetwurden,alsorunddasZehnfachederheuteerrechnetenOpfer.
60 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918