Seite - 108 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
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Israel-BesuchnichtganzfreivonantisemitischenWelterklärungen:„Esistgewiss
keinekleineSache, ein inWeltkreisen relativ kleines, aber furchtbar einflussrei-
chesLandwie Israel definitiv auf seineSeite ziehenzukönnen. EinFeindweni-
ger und Partnermehr ist ein großer Erfolg, insbesondere da unsere Zukunft in
vielemvonderGnadederMächtigenabhängt.“ (Novi list, 29.6.2005)83
Neutraler formulierte imVorwortdesMuseumsguidesderfürdieGedenkstätte
zuständigeHDZ-Kulturminister,dasGedenkmuseumsei„partof theEuropeancul-
tural heritage and symbolizes aplacewhich requires remembering and encoura-
ges learningabout thehistoryofanation“, die,wiees inderkroatischenVersion
heißt, immerschonmitderWeltundEuropakommunizierthabe. (Biškupić2006,
5)DerKulturminister bestellte die indenUSAausgebildeteKunsthistorikerinNa-
taša Jovičić als Direktorin der Gedenkstätte. Sie betonte, die Ausstellung sei
„in Zusammenarbeitmit internationalen Experten“ entwickeltworden, damit
sie„international erkennbarund imKontext internationalerStandards“ (Vjes-
nik, 14.2.2004)zuverstehensei.„WirwolltenTeildesmoderneneuropäischen
Bildungs- undMuseumssystems sein und den Vorgaben folgen, die wir von
denmit diesenThemenbefassten Institutionen erhalten“, so Jovičić. AlsVor-
bildernanntesieaber interessanterweisenichtandereKZ-Gedenkstätten, son-
derndasAnne-Frank-Haus inAmsterdam,dasUnitedStatesHolocaustMemorial
MuseuminWashingtonunddie israelischeGedenkstätteYadVashem.Sieorien-
tiertesichalsoanmemorialmuseums,diesichnichtandenOrtenderMassenver-
brechenbefanden,was sichauch imNamendes JasenovacMemorialMuseum
niederschlägt.
Jovičić wollte nach Vorbild des Anne-Frank-Hauses „eine tragische Le-
bensgeschichtemithilfewenigerObjekte erzählen.“ (Vjesnik, 24.5.2004) Der un-
terschiedliche Charakter der beiden Institutionen wird nicht reflektiert: „Sogar
durchdringender als das Holocaust Memorial Museum inWashington und das
AnneFrankHaus indenNiederlandenentschiedsichdieDirektorinderGedenk-
stätte Jasenovac, die KunsthistorikerinNataša Jovičić dazu, die gesamte neue
83 Sanader selbst ziehtbei seinerAnsprache inYadVashemzweiLehrenausdemHolocaust:
einerseits das obligatorische ‚niemals vergessen‘ als internationale Botschaft, andererseits
dient ihmjedochderBesuchder israelischenHolocaustgedenkstättedazu, ‚dieKroaten‘alsdie
‚neuenJuden‘vonheutezuporträtieren,wie ichbereits inmeinerDissertationausführlichdar-
gelegt habe. (Radonić 2010, 335–337) „Man darf auch die Aggression, die Kroatien erduldet
hat, nicht vergessen,daauchwirOpfer eines so schrecklichenWahnsinnswurden,wie esder
NationalsozialismusundderFaschismuswarenundwir,dieBürgerKroatiens,wissenambes-
ten,wasesbedeutet,Aggressionzuertragen,“ soSanader.AusseinemBesuch inYadVashem
zoger folglichdie Lehre, dassman „inKroatien ein ähnlichesMuseum für dieOpfer desHei-
matländischen Krieges erwarten könne. (Vjesnik, 29.6.2005) Jelena Subotić (2019, 9) spricht
hiervon„memoryappropriation“bzw.einernarzisstischenIdentifikationmit jüdischemLeid.
108 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918