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Rausch der Verwandlung
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geahnten Eleganz bestehen. Jeder scheue Blick gibt eine erneute Qual. Quer gegenüber von ihr hält ein siebzehnjähriges Mädchen ein feinhaariges chinesisches Seidenhündchen auf dem Schoß, das faul und jaulend sich räkelt: seine Schabracke ist mit Pelz bordiert, mit einem Monogramm bestickt, und die winzige Kinderhand, die in seinem Fell krabbelt, rosa manikürt und funkelt bereits von einem Diamanten. Sogar die Golfstöcke, die in der Ecke lehnen, haben noble Mäntel von neuem glatten cremefarbenen Leder, jeder der lässig dareingeworfenen Schirme zeigt einen andersartig erlesenen und extravaganten Griff – mit unbewußter Geste deckt rasch ihre Hand den eigenen aus blindem, billigen Horn. Wenn nur niemand sie ansehen wollte, keiner bemerken, was sie jetzt selbst zum erstenmal weiß! Immer tiefer duckt sich die Verschreckte in sich hinein, und jedesmal, wenn neben ihr ein Lachen aufflattert, rinnt ihr Angst über den gebeugten Rücken. Aber sie wagt nicht aufzublicken und nachzuforschen, ob wahrhaftig dieses Lachen ihr gelte. Erlösung darum, wie nach gepeinigten Minuten das Automobil in den fein gekiesten Vorhof des Hotels knirscht. Ein Signal, grell wie eine Bahnglocke, schwemmt einen ganzen Trupp von bunten Lohndienern und Pagen an den Wagen. Hinter ihnen erscheint, umständlicher, weil zu Distinktion verpflichtet, im schwarzen Gehrock und mit geometrisch geradem Scheitel, der Chef de réception. Durch die geöffnete Wagentür springt zuerst, klirrend und sich schüttelnd, der chinesische Pinsch heraus; locker, ohne ihr lautes Plappern zu unterbrechen, folgen die Damen, den Sommerpelz beim Aussteigen hochgerafft, über die sportgemuskelten Beine; hinter ihnen schlägt noch eine Welle Parfüm zurück, betäubend fast. Nun sollte gesellschaftlicher Anstand den Herren wohl gebieten, das schüchtern aufstehende Mädchen voranzulassen, aber entweder haben sie ihre Herkunft richtig eingeschätzt oder sie bemerken sie nicht; jedenfalls sie schreiten, ohne sich umzublicken, an ihr vorbei und auf den Hotelsekretär zu. Ungewiß bleibt Christine zurück, das mit einmal verhaßte Strohköfferchen in der Hand. Es ist besser, denkt sie, die andern noch ein paar Schritte vorauszulassen, das lenkt die Aufmerksamkeit ab. Aber sie zögert zu lange. Denn wie sie jetzt, ohne daß jemand von der Hoteldienerschaft ihr zuspringt, das Trittbrett des Autos hinabtastet, hat der Herr im Gehrock sich schon devot mit den Rumänen entfernt, die Pagen tragen geschäftig das Handgepäck hinter ihnen her, und die Lohndiener jonglieren bereits auf dem Autodach donnernd mit den schweren Koffern. Niemand hat ihrer Acht. Offenbar, so denkt sie von Erniedrigung übergossen – offenbar, ja gewiß hält man sie für das Dienstmädchen, bestenfalls für die Kammerzofe jener Herrschaften, denn mit völliger Gleichgültigkeit manövrieren die Diener Gepäck an ihr vorbei und lassen sie stehen wie ihresgleichen. Schließlich erträgt sie es nicht mehr, sie kämpft sich mit letzter Kraft in die Hoteltür hinein bis zum Portier. 29
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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