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Rausch der Verwandlung
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Ärmlichkeit als Umwelt zu haben, sich nicht dermaßen rasch umschalten, daß sie wirklich zu glauben wagte, dies Zimmer sei ihr zubestimmt, dieses verschwenderisch weite, köstlich helle und tapetenbunte Zimmer, in das von der zweiflügelig aufgetanen Balkontür wie durch kristallene Schleuse ein Wasserfall von Licht hereinschmettert. Unbändig überschwemmt der goldene Schwall die ganze Tiefe des Raums, jeder Gegenstand ist getränkt von dieser Überfülle des lodernden Elements. Die polierten Flanken der Möbel funkeln wie Kristall, auf Messing und Glas spielen freundliche Funken in flirrenden Reflexen, selbst der Teppich mit seinen eingestickten Blumen atmet saftig und echt wie lebendiges Moos. Wie ein paradiesischer Morgen leuchtet dieses Zimmer, und geblendet von dem Überfall des überall auflodernden Lichts muß die Erschreckte erst wieder auf die Wiederkehr des jäh aussetzenden Herzschlags warten, ehe sie rasch und ein wenig schlechten Gewissens, die Tür hinter sich zuzieht. Erstes Erstaunen: daß es so etwas überhaupt gibt, so viel helle Herrlichkeit! Und zweiter Gedanke, seit vielen Jahren unlösbar an alles Begehrenswerte gekettet: was das kosten muß, wieviel Geld, wie schrecklich viel Geld! Gewiß mehr für einen einzigen Tag, als sie daheim in der Woche – nein, im Monat verdient! Beschämt – denn wer dürfte es wagen, sich hier zu Hause zu fühlen – blickt sie sich um, setzt behutsam einen Fuß vor den andern auf den teuren Teppich. Dann erst, sehr ehrfürchtig und doch voll brennender Neugier, beginnt sie, sich den einzelnen Kostbarkeiten zu nähern. Vorsichtig tastet sie zuerst das Bett an: wird man da wirklich schlafen dürfen, auf so blütendem, kühlen Weiß? Und die Daunendecke, wie ein zarter Flaum liegt sie, die seidengeblümte, leicht und weich auf der Hand; ein Fingerdruck und die Lampe flammt auf, und überhaupt die Ecke im warmen Rosaton. Entdeckung über Entdeckung, der Waschtisch, weiß und muschelblank mit nickelnem Gerät, die Fauteuils, weich und tief, man braucht Kraft, sich aus ihrer elastischen Nachgiebigkeit wieder zu erheben, das polierte Edelholz der Möbel, melodisch sich einend mit dem frühlingshaften Grün der Tapete, und hier auf dem Tisch, ihr zum Gruß hingestellt, vierfarbig brennender Nelkenstrauß im hochstengeligen Glas, ein brausender Willkommtusch von Farbenstimmen aus kristallener Trompete! Wie unglaubhaft wunderbar diese Pracht! Mit der ungestümen Vorlust, all das sehen, benützen, besitzen zu dürfen, einen Tag, acht Tage, vierzehn Tage, schleicht sie zaghaft verliebt an die unbekannten Geräte heran, tastet sie neugierig jede Einzelheit an, eins nach dem andern und verliert sich von Entzückung in Entzückung, bis sie plötzlich, als sei sie auf eine Schlange getreten, grass zurückstolpert und beinahe fällt. Denn völlig ahnungslos hatte sie den mächtigen Wandschrank aufgetan – da fährt von der angelehnten Innentür wie ein rotzüngiger Teufel von der Spielschachtel ein lebensgroßes Bild aus einem hier unerwarteten Wandspiegel, und in dem Glas – sie erschrickt – sie selbst, grausam wirklich, das einzig Ungehörige in diesem 31
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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