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Rausch der Verwandlung
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Art, mit der ihm dieses Mädchen zuhört, scheint ihn wohlig anzuregen. Sein etwas kahles und kaltes Gesicht verliert allmählich den englischen Frost, ein gütiges Lächeln macht die etwas zu herben und dünnen Lippen freundlicher, wenn er ihr jugendliches »Ach« oder »Herrlich«, ihr begeistertes Umwenden und Anschauen bei jedem neuen Ausblick beobachtet. Immer wieder streift von der Seite ein fast wehmütig lächelnder Blick ihr frisches Profil, und an der Srürmischkeit ihrer Begeisterung lockert sich seine Zurückhaltung. Immer geschwinder saust der Chauffeur. Wie auf einem Teppich, weich und lautlos läuft der köstliche Wagen, kein harter Ton seiner metallischen Brust verrät im Anstieg die mindeste Anstrengung, klug und geschmeidig paßt er sich den verwegensten Kurven an, und einzig die immer wuchtiger ansausende Luft verrät das steigende Tempo, indem herrliches Gefühl der Sicherheit sich der Lust der Geschwindigkeit rauschhaft beimengt. Immer düsterer wird das Tal, streng schieben sich die Felsen zusammen. Endlich bei einem Ausblick stoppt der Chauffeur. »Maloja«, erklärt General Elkins und geleitet sie mit der gleichen ehrerbietigen Höflichkeit aus dem Wagen. Großartig ist der Ausblick in die Tiefe; in kunstvollen Kehren stürzt die Straße wie ein Sturzbach hinab; man fühlt, das Gebirge ermattet hier, es fehlt ihm die Kraft, sich länger zu Höhen und Gletschern zu türmen, mit einem Ruck wirft es sich hinab in ein fernes unübersehbares Tal. »Hier unten beginnt die Tiefebene, beginnt Italien«, zeigt ihr Elkins. »Italien«, staunt Christine auf, »so nahe ist das, wirklich so nahe?« In diesem Aufstaunen verrät sich so viel sehnsüchtig vorstoßende Begier, daß Elkins unwillkürlich fragt: »Sind Sie dort nie gewesen?« »Nein, nie.« Und dieses »Nie« ist so heiß, so leidenschaftlich betont, so sehnsüchtig gesagt, daß all die geheime Angst darin mitklingt: ich werde es nie, ich werde es niemals sehen. Sie merkt sofort den zu lauten Überschlag im Ton, schämt sich, und aus Verlegenheit, er könnte ihre tiefsten Gedanken, ihre heimliche Angst wegen ihrer Armut erraten, versucht sie das Gespräch von sich abzulenken und fragt, ziemlich töricht, den Begleiter: »Sie kennen es natürlich, General?« Der lächelt ernst und beinahe melancholisch. »Wo habe ich mich nicht herumgetrieben? Ich war dreimal um die Welt, vergessen Sie nicht, ich bin ein alter Mann.« »Nein, nein!« protestiert sie ganz erschrocken. »Wie können Sie so etwas sagen!« Und derart ehrlich ist dieses Erschrecken, derart leidenschaftlich echt der Protest dieses jungen Mädchens, daß der Achtundsechzigjährige plötzlich Wärme in den Wangen fühlt. Derart heiß, derart hingerissen wird er sie vielleicht nie mehr hören. Unwillkürlich wird seine Stimme weich. »Sie haben junge Augen, Miss van Boolen, darum sehen Sie alles jünger, als es wirklich ist. Hoffentlich haben Sie recht. Vielleicht bin ich wirklich noch nicht so alt und grau wie meine Haare. Aber was gäbe ich darum, könnte ich Italien noch einmal zum erstenmal sehen.« Wieder blickt er sie an, seine Augen bekommen plötzlich die ungewisse unterwürfige Scheu, wie sie oftmals die älteren Männer vor jungen Mädchen 60
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
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