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Rausch der Verwandlung
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der Hand, schleicht sichtlich verschämt wie ein Schatten zum Ausgang, ohne sich bei ihm zu melden. Hallo, rasch springt er vor und sperrt mit drohender Schulter die Drehtür. »Wohin wünschen Sie, bitte?« »Ich fahre fort mit dem Siebenuhrzug.« Der Portier sieht verblüfft: zum erstenmal kommt ihm das unter, daß ein Gast, und gar Dame, in diesem Hotel ihren Koffer sich selbst zur Bahn tragen will. Er wittert sofort Unrat und fragt: »Darf ich … darf ich um die Zimmernummer bitten?« Jetzt erst versteht Christine. Ach so – der Mann hält sie für eine Einschleicherin – schließlich, er hat ja recht, was ist sie denn? Aber der Verdacht erbittert sie nicht, im Gegenteil, sie empfindet irgendeine böse Lust, in ihrem Frost noch gepeitscht, in ihrer Erniedrigung noch mißhandelt zu werden. Macht es mir nur widrig, macht es mir nur schwer – um so besser! Ganz ruhig antwortet sie. »Ich habe das Zimmer 286 gehabt auf Rechnung meines Onkels, Anthony van Boolen, Zimmer 281, Christine Hoflehner.« »Einen Augenblick, bitte.« Der Nachtportier gibt die Tür frei, aber behält die Verdächtige (sie spürt es) im Auge, daß sie ihm nicht rasch wegpascht, während er im Buch nachschlägt. Dann aber kippt plötzlich sein Ton um; eine nervöse Verbeugung und sehr höflich: »Oh, gnädiges Fräulein, oh, bitte um Verzeihung, ich sehe eben, der Tagportier war von der Abreise schon verständigt … ich meinte, nur, weil es so zeitig sei … und dann … gnädiges Fräulein werden doch nicht selbst den Koffer hinausnehmen, das Auto bringt ihn zwanzig Minuten vor Abfahrt des Zuges. Bitte bemühen Sie sich doch in das Frühstückszimmer, gnädiges Fräulein haben noch reichlich Zeit ein Frühstück zu nehmen.« »Nein, ich nehme nicht mehr. Adieu!« Sie geht hinaus, ohne sich umzusehen nach dem verwundert starrenden und dann kopfschüttelnd an sein Pult wieder zurückgetretenen Mann. Ich nehme nicht mehr. Das Wort tut ihr wohl. Nichts und von niemandem. Den Koffer in der Hand, den Schirm in der andern, die Augen krampfhaft auf den Weg geheftet, geht sie hin zur Bahn. Die Berge sind schon erhellt, unruhig quälen sich die Wolken, im nächsten Augenblick wird das Blau hervorbrechen, das göttliche, das so namenlos geliebte engadinische Enzianblau, aber krankhaft gebückt starrt Christine nur auf den Weg: nichts mehr sehen, nichts mehr sich schenken lassen, von niemandem, nicht einmal von Gott. Auf nichts mehr einen Blick tun, nicht erinnert werden, daß von jetzt für ewig diese Berge für andere sind, für andere die Spielplätze und ihre Spiele, die Hotels und ihre spiegelnden Zimmer, die donnernden Lawinen und die atmenden Wälder, und nichts davon mehr für sie, nie mehr, nie mehr! Mit 110
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Rausch der Verwandlung
Titel
Rausch der Verwandlung
Autor
Stefan Zweig
Datum
1982
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
204
Kategorien
Weiteres Belletristik
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