Seite - 127 - in Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten - Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
Bild der Seite - 127 -
Text der Seite - 127 -
nissen“, wenn sich aus rechtlichen oder faktischen Gründen ein Hindernis
im Zusammenhang mit dem Abschiebevorgang ergibt. Aus der Termino-
logie „Hindernis“ ergibt sich aber bereits, dass dieses nicht auf Dauer ist
und unter Umständen auch wegfallen kann, wodurch die Abschiebung
(wieder) durchgeführt werden kann. Aus Gründen der vereinfachten Dar-
stellung werde ich auf den Begriff „Abschiebeverbot“ nur zurückgreifen,
insofern er als gesetzlich festgelegter Begriff verwendet wird. Der Fokus
wird daraufgelegt, ob eine „Regularisierungspflicht“ besteht. Nichtsdesto-
trotz sind die Mitgliedstaaten aufgrund der völker- und europarechtlichen
Bestimmungen grundsätzlich nicht verpflichtet, dass sie den betroffenen
Migrant*innen ein Aufenthaltsrecht erteilen.523 Die Entscheidung den
Aufenthalt von diesen Personen zu genehmigen liegt somit noch im Er-
messen der Mitgliedstaaten.524 Ein Anspruch auf Aufenthalt kann aber ge-
gebenenfalls auf nationaler Ebene bestehen. Umgekehrt haben die Mi-
grant*innen in diesen Fällen keinen Rechtsanspruch auf Regularisierung
aufgrund höherrangiger Bestimmungen. Allerdings zeigt die Praxis, dass
die Mitgliedstaaten auf die rechtlichen Abschiebehindernisse oftmals mit
der Erteilung eines Aufenthaltsrechts reagieren, auch wenn sie hierzu völ-
ker- bzw europarechtlich nicht verpflichtet wären. Die Kommission hat
deshalb bereits im Jahre 2004 festgestellt: „Die meisten Mitgliedstaaten er-
kennen an, dass es aus pragmatischen Gründen notwendig sein kann, die
Rechtsstellung bestimmter Menschen zu regularisieren, die die üblichen
Kriterien für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllen. Mit der
Durchführung von Regularisierungsmaßnahmen versuchen die Regierun-
gen, solche Migranten in die Gesellschaft zu integrieren, statt sie an den
Rand zu drängen und damit dem Risiko der Ausbeutung auszusetzen“.525
Daher argumentiere ich, dass die Mitgliedstaaten in dem Zusammenhang
oftmals über die völker- und europarechtlichen normierten Bestimmun-
gen hinausgehen, ungeachtet dessen, dass diese Entwicklung im aktuellen
Rechtsdiskurs nicht ausreichend gewürdigt wird.
Andererseits können bestimmte höherrangige Bestimmungen, insofern
sie nicht bloß als Ausweisungsschutz ausgelegt werden, eine Pflicht zur Re-
gularisierung, mit anderen Worten zur Erteilung eines Aufenthaltsrechts,
auslösen. Dies mag auf den ersten Blick widersprüchlich klingen, erklärt
sich jedoch dadurch, dass das Bestehen einer rechtlichen Pflicht zur Ertei-
523 Siehe im Detail zu Art 3 EMRK Kapitel 2.B.III.1.b. und Kapitel 3.B.II.1. und zu
Art 8 EMRK Kapitel 2.B.III.2.-3.
524 Siehe hierzu oben Kapitel 1.E.
525 KOM(2004) 412 endg, 11.
B. Systematisierung von Regularisierungen für den integrierten Rechtsvergleich
127
https://doi.org/10.5771/9783748902720, am 28.01.2020, 12:12:37
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Titel
- Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
- Untertitel
- Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Autor
- Kevin Fredy Hinterberger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0272-0
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 514
- Kategorie
- Recht und Politik