Seite - 150 - in Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten - Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
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Aufenthaltstitel zu bewerten, weil sie keinen rechtmäßigen Aufenthalt
nach nationalem Recht begründet.628 Sie ist vielmehr als Aufschub der Ab-
schiebung im Sinne von Art 9 RückführungsRL zu qualifizieren.
Gem Art 9 Abs 1 RückführungsRL sind zwei Fälle geregelt, in denen die
Abschiebung aufgeschoben werden muss, in den in Abs 2 leg cit normier-
ten Fällen kann die Abschiebung aufgeschoben werden.629 Für die vorlie-
gende Arbeit ist vor allem der erste Absatz relevant, wonach die Abschie-
bung aufzuschieben ist, wenn einem Rechtsbehelf die aufschiebende Wir-
kung zuerkannt wird oder wenn die Abschiebung das Non-Refoulement-
Gebot verletzen würde.630 Wie der Aufschub im nationalen Recht ausge-
staltet wird, ist den Mitgliedstaaten überlassen.631 Sie haben hierbei aber
jedenfalls die „Verfahrensgarantien“ in Kapitel III der RückführungsRL zu
beachten und gewährleisten. Nach Lutz ist die Entscheidung über den Auf-
schub unter den Begriff der „Rückkehrentscheidung“ zu subsumieren.632
Mitgliedstaaten haben teilweise versucht, diese Garantien durch den
Nichterlass einer aufenthaltsbeendenden Entscheidung zu umgehen. Dies
kann als de facto Aufschub bezeichnet werden.633 Neben den Rechten be-
stehen aber auch Pflichten, die irregulär aufhältige Migrant*innen zu erfül-
len haben, wenn die Abschiebung aufgeschoben wurde bzw während der
Dauer der Frist für die freiwillige Ausreise.634
Folglich steht es grundsätzlich im Einklang mit der RückführungsRL,
dass Migrant*innen rechtlich „geduldet“ werden, da ein Rückkehrverfah-
ren bereits eingeleitet und eine Rückkehrentscheidung erlassen, aber noch
nicht vollstreckt wurde. Problematisch ist es aber, wenn ein Mitgliedstaat
eine Person über einen längeren Zeitraum hinweg duldet und ihr kein
Aufenthaltsrecht gewährt (dauerhafte Nichtrückführbarkeit).635 Die soge-
628 §31 Abs 1a Z 3 FPG und §60a Abs 3 AufenthG. In dem Sinne Rückkehr-Hand-
buch 2017, 9, 31.
629 Vgl Lutz in Hailbronner/Thym Art 9 Return Directive Rn3.
630 Siehe hierzu auch EuGH Gnandi, Rn47.
631 So Lutz in Hailbronner/Thym Art 9 Return Directive Rn5. Siehe hierzu Kapi-
tel 5.A.I.
632 Lutz in Hailbronner/Thym Art 9 Return Directive Rn5; so auch Rückkehr-Hand-
buch 2017, 68. Die Kommission führt diesbezüglich weiters aus, dass der Auf-
schub der Abschiebung in der Regel zusätzlich zur Rückkehrentscheidung und
„in ein und demselben Verwaltungsakt zusammen mit der Rückkehrentschei-
dung erlassen“ werden sollte.
633 So Lutz in Hailbronner/Thym Art 9 Return Directive Rn5.
634 Art 7 Abs 3 und Art 9 Abs 3 RückführungsRL; so auch Menezes Queiroz, Illegally
Staying 101.
635 Siehe sogleich Kapitel 3.B.II.2.
Kapitel 3 – Die unionsrechtlichen Handlungsspielräume
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https://doi.org/10.5771/9783748902720, am 28.01.2020, 12:12:37
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Titel
- Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten
- Untertitel
- Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich
- Autor
- Kevin Fredy Hinterberger
- Verlag
- Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0272-0
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 514
- Kategorie
- Recht und Politik