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und Bewegung beschreiben, aber ich konnte nicht mit Exaktheit sagen, wo er
sich,psychologischgesprochen,zuirgendeinembestimmtenZeitpunktbefunden
hatte.“143DabeiwirddiemetaphorischeVerbindungzwischenphysikalischenEr-
scheinungsformen und der biographischen Zugangsweise bei Edison, einem
maßgeblichenErfinder imBereich der Elektrotechnik, ersichtlich. In seiner kul-
turwissenschaftlichen Arbeit beschreibt auch Edward Timms dieWiener Kreise
um 1900 als „elektromagnetische Netzwerke“, in denen Schlüsselfiguren der
JahrhundertwendegleichmehrerenKreisenangehörtenund für eine rascheVer-
breitung neuer Ideen sorgten.144 Und Osterhammel konstatiert: „Die Zeit zwi-
schen der Jahrhundertmitte und dem Ersten Weltkrieg [...] war eine Periode
beispielloserNetzwerkbildung.“145
Aus biographietheoretischer Sicht besteht ein Kritikpunkt an Netzwerka-
nalysen, die auf nur einenAkteur ausgerichtet sind, in der Konstruktion von
Biographiewürdigkeit überdieVernetzungmitprominenterenDichtern. Jewe-
niger präsent und bekannt eine untersuchte Figur, desto größer scheint der
Rechtfertigungsdruck, ihren biographischenWert zu legitimieren. Die zu un-
tersuchende Personwird dann an relevantere und kanonisierte Protagonisten
gekoppelt,umihreBedeutungzuunterstreichen.146
Eine quantitativ ausgerichtete Netzwerkanalyse, die Schaukal mit densel-
ben Erhebungsmethoden erfasstwie beispielsweise Arthur Schnitzler, Thomas
MannoderStefanZweig,würdedasProblemderkonstruiertenGrößezwarum-
gehen, allerdingsbliebenbestimmtequalitativeFaktoren imVerborgenen.Aus
diesem Grund wird die Netzwerkforschung auf andere Theorien abgestimmt.
DieBeziehungderAkteureuntereinander, ihreAustauschprozesseundPositio-
nen imNetzwerdenanhandüberschaubarerGruppenqualitativbetrachtetund
spezifischeAspektewieHerkunft, generationaler ZusammenhangundKarriere
in denVergleichmiteinbezogen.Der Blick auf dieVernetzungopponiert dabei
dem Individualitätsbegriff, also der Vorstellung vom „invariablen ‚Kern‘ [. . .]
einergegebenenSubstanzpersonaler Identität.“147
Die Verbindung vonNetzwerkforschungundBiographik ist eineAbsage an
dieGeschlossenheit undLinearität der dargestellten Leben; die vorliegendeUn-
tersuchung berücksichtigt deshalb auch nur sekundär die chronologische Ab-
folge vonEreignissenundkonzentriert sich vielmehr aufMomente des sozialen
143 Nye:NachThomasEdison,S.353.
144 Timms:DynamikderKreise,S. 16.
145 Osterhammel:DieVerwandlungderWelt,S. 1011.
146 Vgl.Zimmermann:ExemplarischeLebensläufe,S.8.
147 Fetz:DievielenLebenderBiographie,S.34.
2 Netzwerkforschung:MetapherundMethode 39
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik