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Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Seite - 77 -
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Der Krieg also, wie Kraus ihn einzig ansprechen konnte, eine verbrecherische greuliche Töterei, alsVeröffentlichungundÖffentlichkeit, vorPublikumund fürdasPublikummit Verlogenheit inSzenegesetzt,BeuteundAusbeuteeineralsPatriotenprotokolliertenGe- sellschaftvonLeichenräubern.96 SchaukalverstehtdieTragödiealsKritikandiskursivenPraktikenundderhetze- rischen Propagandarolle der Presse. Doch zieht er daraus den Schluss, dass es schwieriger gewesenwäre, aus dem Stoff (der medialen Berichterstattung über den Krieg) keine Satire zumachen und stattdessen „die unzähligenWunder an SchönheitundWürde,EhreundTreue,GlaubeundMut,EntsagungundOpferzu sammeln, die vier Jahredes göttlichenZorns [...] unter einer in allenTintender Fäulnis erschimmerndenOberflächeverbargen.“97DieArgumentationmündet in der Beschreibung des Titelbilds vonDie letzten Tage derMenschheit, das Kaiser Franz Joseph (1830–1916) beimBesuch einerAusstellung zeigt undSchaukal er- schüttert.Noch 1933bekennt er seine tiefwurzelndemonarchistischeGesinnung: „AbermichrührtvorallemderKaiser. ‚MeinKaiser,meinKaisergefangen!‘“98 SobaldKarlKrausalskritischerAkteur imZeichendesEngagements erschei- nen könnte, der die politischen Belange der Monarchie durch seine satirische Schlagkraft beeinflusste, verlässt der Autor denWeg der Lebensdarstellung, um aneineAuslegung imSinnedes geistigenBildnisses anzuknüpfen.GeradeKraus würde sich für eineDarstellungder vitaactiva eignen,da seine kritischenÄuße- rungen, theoretischen Ausführungen und streitbaren Positionen einem klaren Zweckgewidmetwaren, beispielsweiseder ‚aktivenKlageführung‘, dieKrausge- meinsammit seiner Sprach- undOrnamentkritik zummoralischen Engagement erhobenhatte.99SchaukalbeschreibtKrausaber imSinnedervitacontemplativa, wodurch entscheidende lebens- und sozialgeschichtliche Teile der Biographie von Kraus ausgespart bleiben. Schaukal wählte den kontemplativen Stil, da er sich aufgrund seiner formalen Offenheit für den bekenntnisreichen, selbstrefle- xivenundassoziativenEssaytoneignete.LediglichdieabschließendeZusammen- fassung der kurzen Kraus-Biographie weicht davon ab. Ein als „Lebensskizze“ 96 Schaukal:KarlKraus,S.34. 97 Schaukal:KarlKraus,S.34. 98 Schaukal:KarlKraus,S.36. 99 Vgl. Karl Kraus in: Die Fackel 46 (1900), S. 20: „Weil unser öffentlicher undmündlicher Strafprocess diePopularklagenicht kennt, habe ich ja zumZweckeder öffentlichen, schriftli- chen Popularklage die ‚Fackel‘ gegründet.“Vgl. auch Katharina Prager: „Ich bin ja nur des- halb ein Lump, weil der andere sich ärgert“. Vom Schimpfen, Schmähen und Polemisieren rundumKarlKraus.MitneunSchmähbriefenausdem„MuseumderDummheit“. In:„ERLEDI- GUNGEN“. Pamphlete, Polemiken und Proteste. Hg. vonMarcel Atze und Volker Kaukoreit. Wien2014,S. 138–171; sowieTimms:DynamikderKreise,S. 128. 3 BiographiealsSelbstreflexion 77
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Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Titel
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
Autor
Cornelius Mitterer
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Ort
Berlin
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-061823-5
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
312
Kategorien
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