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sein Netzwerkmanagement die Positionenwechsel im literarischen Feld aktiv
mitbestimmte.DieKontakte lassen sich in erster Linie als dünneunduniplexe
Netzwerke bezeichnen. Das bedeutet, dass seine Briefpartner untereinander
wenig Austausch hatten und kein dichtes Beziehungsgeflecht bildeten, selbst
derKontakt zwischendenBrüdernManngestaltete sichbekanntlich schwierig
undwar seit 1904von zunehmender Entfremdunggeprägt.36DerVerfasser der
BuddenbrooksundSchaukalpflegtenzwischen1900und1905einenBriefwech-
sel, von dem lediglichManns Korrespondenzen erhalten sind. Es wird jedoch
klar, dass sich beide Akteure berufliche wie ästhetisch-intellektuelle Vorteile
voneinander versprachen. Nur einenMonat später, imNovember 1900, setzte
derknappdrei JahreanhaltendeBriefwechselmitHeinrichMannein, vondem
ebensoSchaukalsSchriftstücke fehlen.
Thomas und Heinrich Manns Lobesworte für Schaukals Werk sind unter
einemanderenLichtzubetrachten,sobaldmanaufdieparalleldazulaufendeKor-
respondenzderBrüderblickt.SoschreibtThomasMannam25.November1900:
Schaukal ist ein kurioserKauz.Mir hat er ebenfalls seineWerkegeschickt und seinPortrait
dazu:wahrscheinlich infolge seiner Bekanntschaftmit Lobgott Piepsam [d.i. dieHauptfigur
inThomasMannsDerWegzumFriedhof].Weißkirchen liegt inMähren,undS., reichverhei-
ratet, bekleidetdort,wie ichhöre, einstaatlichesAmt.Gottweiß,waseranmir findet,denn
daßerDirvielnähersteht, ist jasicher. Ichhabebei flüchtigemDurchblätternseinerBücher
manches Ansprechende gefunden; aber ich lese Verse überhaupt sehr schlecht, undmein
TolstojismusläßtmichbeinaheschonReimundRhythmusalsruchlosempfinden.37
Thomas Manns Faszination für die Wiener Autoren der Jahrhundertwende,
denen er sich ästhetisch nahe fühlte,38 könnte, abgesehen von der Tatsache,
dass er in Schaukal einen geeigneten Literaturvermittler sah, der Grund dafür
gewesensein, dass erdiesennicht einfachenKontaktmehrere Jahre langpflegte.
Die Korrespondenz wurde von Thomas Mann beendet, als Schaukal dessen
36 Vgl. PeterdeMendelssohn:Der Zauberer.DasLebendesdeutschenSchriftstellersThomas
Mann.ErsterTeil: 1875–1918.FrankfurtamMain1996,S.910–911.
37 HansWysling (Hg.): ThomasMann–HeinrichMann.Briefwechsel 1900–1949.Frankfurt am
Main1995,S.62–63.Vgl.auchAndreasWicke:„Schaukal isteinkurioserKauz“. ZumVerhältnis
ThomasManns zu Richard Schaukal. In: Eros Thanatos, Bd. 1 (1997), S. 105–112; sowie Franz
Zeder: ‚Erlebtheit‘ versus ‚Mache‘. Die Richard Schaukal-Thomas Mann-Kontroverse im Span-
nungsfeldzwischen ‚Dichter‘und ‚Literat‘. In:ErosThanatos,Bd.3–4(1999/2000),S.51–70.
38 Vgl. Joëlle Stoupy: ‚Brüder in der Zeit‘. Über ThomasMannundHugo vonHofmannsthal.
In: Überschreitungen. Dialoge zwischen Literatur- und Theaterwissenschaft, Architektur und
Bildender Kunst. Festschrift für LeonhardM. Fiedler. Hg. von Jörg Sader undAnetteWörner.
Würzburg2002,S. 163–169. 1 VerlagsstrukturenundVerlagsnetzwerke 103
Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Titel
- Richard Schaukal in Netzwerken und Feldern der literarischen Moderne
- Autor
- Cornelius Mitterer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-061823-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 312
- Kategorien
- Weiteres Belletristik