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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
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Russlandbilder bei Weiß, Musil, Lania und Rundt 67 Leistungen“ im Schauspielerischen sprach auch Raoul Auernheimer in seinem Bericht für die Neue Freie Presse, in dem er differenzierter als viele seiner Kol- legen auf die russische Einbettung einging und diese in einen über den unmit- telbaren Zeitbezug hinausgreifenden, Fedor Dostoevskij als Schlüssel-Referenz aufrufenden Rahmen platzierte: Alles in dem Stück ist russisch und schmeckt irgendwie nach Dostojewski:  der Name und Charakter der Heldin, die eine kleine Tänzerin und eine Dirne ist, die Umwelt, die [Personen]. Tanja tötet bereits im ersten Bild ihr eigenes Kind […][;] sie wird ungefähr zur gleichen Zeit die Geliebte eines Bombenattentäters, von dem sich später herausstellt, daß er ihr aus dem Russisch-japanischen Krieg zurückgekehrter Geliebter und Vater des kleinen Ilja ist; sie verliebt sich in den Attentäter, aber zu spät, nachdem dieser bereits den Fürsten Urussow, die Verkörperung des unmenschlichen russischen Militarismus, getötet und sie ihn verraten hat; sie wird wahnsinnig, kommt ins Irrenhaus, stürzt sich aus dem Fenster in den Spitalshof hinab und verscheidet auf einem Misthaufen, von einem ganz im Geist Dostojewskis sprechenden jungen Popen mit Heilandsworten getröstet […][.] Die Grobheit dieser in dem gewissen allerneusten Sturm- und Drang- thema sich abwickelnden Vorgänge gipfelt äußerlich in der Entrollung der roten Revo- lutionsfahne am Schlusse des […] dritten Bildes. Hier geht das Russische des Stückes in das Zeitgemäße über und erklärt sich innerlich.8 Im Kontext der zeitgenössischen expressionistischen Dramenkonzeptionen nahm Weiß mit seiner Tanja zwar keine exponierte Position ein  – dafür kam es bereits recht spät und präsentierte sich, etwa im Vergleich mit Arnolt Bronnen, Oskar Kokoschka oder Ernst Toller, als formal, thematisch sowie im Hinblick auf die Exposition von Körperlichkeit, Gewalt und De-Personalisierungspotentialen letztlich doch als recht traditionell.9 Doch sein Drama bündelte am Ausklang des expressionistischen Jahrzehnts nochmals vor einer nicht bloß von typologischen Wandlungsutopien unterlegten oder begleiteten Realität Elemente, die auf beun- ruhigend-aufrüttelnde Diskursebenen verwiesen:  auf irrationale, abgründig- eruptive Dimensionen und Handlungsentscheidungen, welche festgeschriebene Gender-Rollen aus den Angeln hoben und radikalisierten (wie zum Beispiel jene der Verschränkung von Mutterschaft, Künstlerinnenattitüde und Gewaltphanta- sien). Nach brutaler Peinigung des Sohnes Ilja durch körperliche Übergriffe bis hin zu dessen Hungertod sowie nach sprachlich wahnartigen Rededuellen im zweiten Akt zwischen Tanja und ihrem Geliebten, dem Revolutionär Wladimir, 8 R.A. [d.i. Raoul Auernheimer]:  [o.T.]. In:  Neue Freie Presse (25.12.1919), S.  18. 9 Zur Geschlechter-Thematik im (Spät-)Expressionismus vgl. bes. die Einleitung zu Themen und Problemen der Forschung in:  Frank Krause (Hg.):  Expressionism and Gender. Expressionismus und Geschlecht. Göttingen: V&R 2010, S.  11–20.
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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