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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ - Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Seite - 78 -
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Primus-Heinz Kucher78 der prononcierten Kritiker, die  – wie Brecht und Kisch  – an der tayloristischen Arbeitswelt und deren Ausbeutungsverhältnisse Kritik übten oder sich, wie zum Beispiel Stefan Zweig, an der vorgeblichen Nivellierung kultureller Leistungen unter dem Reizwort „Monotonisierung der Welt“40 stießen. Vielmehr zielte Rundt in seinen Amerika-Skizzen auf das Erfassen soziologisch-habitueller Ver- haltensweisen und erprobte dabei Beschreibungsmuster, die in sachlicher Dik- tion strukturelle Aspekte in den Blick zu bekommen suchten. Damit knüpfte er an Modelle an, wie sie vor ihm bereits Robert Müller in seinen auf Rassen und Physiognomien abgestellten Essays seit 1912/13 sowie in der Schrift Bolschewik und Gentleman ausgelotet hatte. Schon im ersten Kapitel seines 25 Abschnitte umfassenden Russlandbuches antizipiert Rundt, was ihm als Triebkraft seiner Reise erschien:  Nicht einzelne mehr oder weniger überwältigende Eindrücke von industriellen Leistungen, die er genau, aber auch mit ironischer Distanz registriert, sondern vor allem eine ihm zentral erscheinende, teils offen, teils verborgen wirkende „Systema- tik im Dienst einer neuen Idee vom Menschensein“, die hinter der Fassade des neuen Russlands fassbar werde.41 Die Elemente, die sich zu jener neuen Sys- tematik im Zeichen des Kollektivs fügen, entnimmt Rundt einerseits aus eher grundsätzlichen Erfahrungen wie etwa der Kenntnis der ‚Arbeitsinstitute‘, die Alexej Gastev kreiert hat, der zugleich für die faszinierende Verbindung aus Technikeuphorie und Proletkult zu Beginn der 1920er Jahre unter dem Motto „Sei Ingenieur deines Lebens!“ steht [AR  29]. Andererseits verdanken sie sich zahlreichen Alltagsbegegnungen, die Rundt stets mit Grundsatzfragen, mit habituellen Aspekten zu verknüpfen sucht.42 Es sind dies Fragen, die den priva- ten wie den öffentlichen Bereich gleichermaßen tangieren, etwa inwieweit ein religiöser Vergleich als marxistisch oder unmarxistisch gilt, oder welchen Stel- lenwert die Familie als potenzieller „Schauplatz und Hort jener kleinen senti- mentalen Freuden, die das System als bourgeoises Behagen verachtet“ [AR  58], in der noch nicht kollektiv durchorganisierten (aber angestrebten) Zukunft einnehmen könne. Es sind dies auch Fragen, die an den bis zur Revolution 40 Vgl. Rebecca Unterberger:  Monotonisierungsdebatte. Online unter:  http://litkult1920er. aau.at/?q=stichworte/monotonisierungsdebatte (letzter Zugriff:  31.10.2016). 41 Vgl. Arthur Rundt:  Der Mensch wird umgebaut. Berlin:  Ernst Rowohlt 1932, S.  15; im Text künftig mit der Sigle [AR] zitiert. 42 Zu Gastjew und dessen Konzepten vgl. Jutta Scherrer:  Die Behauptung der Macht:  Der Ich-Verlust. In:  Der Spiegel Special Geschichte (18.12.2007), online unter:  http:// magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/54841278 (letzter Zugriff:  1.11.2016).
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Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹ Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Titel
Der lange Schatten des ›Roten Oktober‹
Untertitel
Zur Relevanz und Rezeption sowjet-russischer Kunst, Kultur und Literatur in Österreich 1918–1938
Autor
Primus-Heinz Kucher
Herausgeber
Rebecca Unterberger
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-631-78199-9
Abmessungen
14.8 x 21.0 cm
Seiten
466
Kategorie
Kunst und Kultur
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